Inmitten der Unendlichkeit
Mannschaft der einen Situation ausgesetzt, der man keine Mannschaft jemals aussetzen darf: Ihre Leute wissen nicht mehr, was sie von Ihrer Führung halten sollen. Die ersten Zweifel tauchten auf, als Sie das Schiff nach dem Hinterhalt von Marathon wieder nach Hause gebracht haben und dann kein Kapitänspatent erhielten. Und nun streicht man den Leuten die Prämie, von der Sie ihnen gesagt haben, sie hätten sie sich verdient. Was meinen Sie, wie Ihre Besatzung darauf reagieren wird?«
»Wütend. Genau wie ich.«
»Ihre Gefühle sind der am wenigsten wichtige Bestandteil in dieser Gleichung.«
»Das weiß ich selbst. Was soll ich denn Ihrer Meinung nach tun?«
Korie fühlte sich noch frustrierter als während seines Gesprächs mit der Vizeadmiralin. Er hatte erwartet, wenigstens bei seinem Kapitän Verständnis zu finden.
Die Stimme schwieg eine Weile. So lange, daß Korie schon beinahe glaubte, der Kapitän wäre endgültig gestorben. Nur die Reihe von Monitoren über dem Bett zeigte an, daß die Prothese weiterhin aktiv war. Schließlich meldete sich Hardesty erneut zu Wort: »Die Tatsache, daß Sie fragen müssen, beweist nur, wie wahr meine Worte sind.«
Korie öffnete den Mund zu einer Antwort, doch dann schloß er ihn wieder. Auf diese Weise würde die Unterhaltung zu nichts führen. Er überwand seinen Zorn und konzentrierte sich auf die augenblickliche Situation. Er sagte: »Ich bin vorbeigekommen, um Ihnen meine Aufwartung zu machen, Sir. Die Mannschaft möchte wissen, wie es Ihnen geht. Jetzt habe ich Sie gesehen und kann ihr berichten. Ich gehe jetzt wieder.« Er wandte sich zur Tür.
Die rasselnde Stimme ließ ihn innehalten.
»Mir machen Sie nichts vor, Korie. Sie sind hergekommen, weil Sie meinen Segen wollen. Und jetzt sind Sie beleidigt, weil ich anders darüber denke.«
Korie machte einen Schritt in Richtung der Tür, bevor er sich ein letztes Mal zu dem grauen Körper auf dem Bett umdrehte. »Sie sind tot, Kapitän Hardesty. Es spielt keine Rolle mehr, was Sie denken. Ihre Meinung ist ganz plötzlich bedeutungslos geworden.« Korie staunte über sich selbst. Noch vor einer Woche hätte er sich nicht träumen lassen, einmal auf diese Weise zu seinem Kapitän zu sprechen. Aber nachdem er sogar der Vizeadmiralin widerstanden hatte, schien es ihm gar nicht mehr so… schwierig. »Es spielt überhaupt keine Rolle, ob Sie meinen, ich wäre reif für mein eigenes Kommando oder nicht. Die Verantwortung liegt auf jeden Fall in meinen Händen. Ich werde meine Arbeit erledigen, und Ihren Segen können Sie sich sonstwohin stecken.«
»Womit Sie mir erneut beweisen, daß ich recht habe. Ihr Zorn frißt Sie von innen heraus auf.«
»Sie haben unrecht. Doppelt unrecht. Meine Wut ist keine Schwäche. Sie ist mein größter Vorteil. Sie ist wie eine Wetterfahne. Sie zeigt mir die Richtung. Und nein, ich kam nicht her, weil ich Ihren Segen wollte. Ich kam her, weil ich Ihren Rat brauchte. Sicher, ein wenig Anerkennung hätte mir Freude gemacht – immerhin war ich derjenige, der das Schiff sicher nach Hause gebracht hat…«
»Ja ja. Das Schiff. Wäre ich noch lebendig, würde es mir vielleicht sogar ein wenig schmeicheln, daß Sie das Schiff nach mir benannt haben. Aber an meiner Beurteilung ändert sich dadurch überhaupt nichts.«
Korie stand stocksteif am Ausgang des Krankenzimmers. »Ich bin nicht ausschließlich nur traurig, daß Sie tot sind.«
»Mister Korie, ich habe Ihnen mehr als einmal gesagt, daß es mir vollkommen gleichgültig ist, ob Sie mich mögen oder nicht, solange Sie nur Ihre Arbeit tun. Kann sein, daß ich tot bin, aber daran hat sich immer noch nichts geändert.«
Kories Augen verengten sich zu Schlitzen.
»Es war sehr lehrreich, unter Ihnen zu dienen, Sir«, sagte er kühl. »Ich werde Blumen zu Ihrem Grab senden.«
»Sie haben nicht vor, darauf zu pinkeln?«
Korie schnaubte. »Ich hasse es, mich anzustellen.« Er wandte sich ab und verließ den Raum.
La Paz
Zwei Stunden später war Kories Wut noch immer nicht verraucht. Er konnte förmlich spüren, daß sie in ihm brannte wie eine dieser mechanischen Maschinen, die ihr Dasein rauchend und qualmend und schwelend in Museen fristeten und hin und wieder große, stinkende Wolken von Dunst und Feuer ausspuckten. Er wußte, weshalb er so wütend war. Aber er konnte nicht aus seiner Haut und seine Gefühle einfach abstreifen. Es lag nicht an Hardesty, und es lag nicht an der Vizeadmiralin. Es lag nicht einmal an dem
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