Innerste Sphaere
standen zu beiden Seiten des Tores, schwangen ihre Krummsäbel und trieben die Menge in die riesige dunkle Stadt. Eins der Monster lachteNadia aus, als sie es um Hilfe bat.
Willkommen am Selbstmordtor!
, rief es.
Mit einem Ruck war ich wach geworden, erleichtert, dass es nur ein Traum war, ohne zu wissen, dass sie schon nicht mehr lebte.
»Alles in Ordnung?« Dunn zog seine Tattoopistole weg und nach seiner Miene zu urteilen, hatte ich was Verrücktes getan.
Ich räusperte mich. »Klar. Warum?«
»Du hast, na ja … gestöhnt? Nicht dass es mich stören würde …« So wie er die Lippen verzog, brachte er mich auf die Idee, in alte Gewohnheiten zurückzufallen und ihn mit seiner Tattoopistole zu erstechen.
»Tut mir leid. Es tut weh. Mach weiter.« Ich schaute aus dem Fenster und versuchte verzweifelt, nicht daran zu denken, was ich in diesem Träumen gesehen hatte.
Wieder verstummten die Nadeln. »Fertig«, verkündete Dunn und drückte meine Hand. »Was meinst du?«
Ich betrachtete die Innenseite meines rechten Unterarms. Nadias Gesicht sah mich an. »Sie ist perfekt«, flüsterte ich. »Danke.«
Er legte mir einen Verband an, ich fuhr heim und hoffte, dass die Albträume damit gebannt wären. Seit Nadias Tod war ich jede Nacht mit ihr tiefer in diese endlose dunkle Stadt hineingegangen. Sie war umgeben von Fremden, die durch die Straßen wanderten, alle mit diesem verschleierten, gepeinigten Blick. Abgesehen von den riesenhaften Wächtern, die durch die Straßen patrouillierten, sah praktisch jeder in dieser Stadt todunglücklich aus. Nadia wollte um Hilfe bitten, aber niemand sah sie an. Als ich ihren Namen rief, hörte sie mich nicht. Ich war nur ein Geist, der an ihrem Ärmel zupfte. Jeden Morgen wachte ich tieftraurig und voller Sehnsucht auf. Vielleicht würde sie jetzt in Frieden ruhen und mich wieder in meine normalen, fahrplanmäßigen Albträume entlassen. Alles war besser, als sie leiden zu sehen.
Dianes Wagen stand in der Einfahrt, als ich in unsere Straße bog. Ich zog meinen Ärmel herunter. Diane würde neugierig werden, wenn sie den Verband sah, und ziemlich sauer, wenn sie das Tattoo bemerkte.
»Was ist passiert, Schatz?« Sie kam mit dem Servierlöffel in der Hand aus der Küche.
»Nichts. Hab mich nur mit … Tegan getroffen.«
Diane zog die Augenbrauen hoch. »Tegan hat grade angerufen und gefragt, ob du morgen Abend zu der Totenwache gehst.«
Na toll. Tegan hatte genau im falschen Moment beschlossen, sich wie ein anständiger Mensch zu benehmen. Ich sank auf einen Stuhl am Küchentisch. »Ich hab ein bisschen Zeit für mich gebraucht. Da hab ich eine Spritztour gemacht.«
Sie runzelte die Stirn. »Ist noch mehr Zeit allein wirklich das, was du brauchst?«
Ich machte die Augen zu, damit sie nicht sah, dass ich sie verdrehte. »Ich weiß nicht, was ich brauche, Diane. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das wichtig ist.«
»Für Nadia wäre es wichtig.«
Ich zuckte zusammen. Bei meinen Träumen von Nadia war das einzig Wichtige für sie gewesen, ihrem Schmerz zu entfliehen. So wie ich sie gewarnt hatte, war es nicht zu Ende, als sie sich tötete. »Das kannst du nicht wissen.«
Diane hob die Arme. Das sollte eine Umarmung werden, aber sie gab den Versuch gleich wieder auf. Stattdessen verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Du hast ihr viel bedeutet, tu nicht so, als wüsstest du das nicht.« Ihre Augen wurden schmal. »Du hast wieder Albträume, oder? Das sind nur Träume, Schatz. Schlimme Träume, ist klar, aber keine Wirklichkeit.«
Ich kehrte ihr den Rücken zu, machte den Küchenschrank auf und starrte auf die Gläser und das Geschirr. Meine Träume fühlten sich aber wirklich an. Letzte Nacht hatte eine gackernde Alte versucht, Nadia wegzuzerren – sie erinnerte irgendwie an ein Tier.
Perfekt
, hatte sie zu Nadia gesagt.
Du bist perfekt.
Die Stimme klang anders als jene, die mir in meinen eigenen zahllosen Albträumen etwas zuwisperte, aber sie sagte dieselben unheilvollen Worte. Als Nadia davongelaufen war, hatte die bestialische Alte sie gejagt – auf
allen Vieren
, ihre Handflächen und Fußsohlen klatschten auf das Kopfsteinpflaster. Wie benommen war ich aufgewacht, bevor ich sah, was mit Nadia passierte.
»Du glaubst, du hättest sie retten können. Du fühlst dich schuldig.« Diane langte an mir vorbei in den Schrank und holte zwei Teller heraus.
»Klar fühle ich mich schuldig«, gab ich heiser zurück und wischte mir mit dem Ärmel über die Augen.
Weitere Kostenlose Bücher