Innswich Horror (German Edition)
Ihr Blick hielt den meinen fest. »Sie sind sehr nett, Foster«, brach es aus ihr heraus. »Vielen Dank …«
»Dann bis morgen!«, rief ich und ging hinaus.
Ich ging in freudiger Eile davon, nicht nur angetan von der engelhaften und liebenswerten Frau, sondern auch von diesem neuen und überraschenden Aufflammen meiner Obsession.
Mir war sofort klar, dass ich das Versprechen brechen musste, dass ich ihr gemacht hatte. Ihre Sorge war ganz offensichtlich übertrieben, und ich konnte ihren Bruder wohl kaum eines Fotos berauben, das ihm sehr viel bedeuten musste. Das Armenhaus hinter der neuen Feuerwehr!, rief ich mir ins Gedächtnis, und – da! Auf einem Schild direkt vor mir stand FEUERWEHR, und ein Pfeil zeigte nach Westen. Ein lautes Geräusch erschreckte mich, als weitere mit Fisch beladene Lieferwagen über die Kopfsteinpflasterstraße auf mich zukamen, und als sie vorbeifuhren, bemerkte ich, dass die westlichste Straße abgesperrt war – dort wurden anscheinend gerade Rohre verlegt –, daher zog ich es vor, um den Gebäudeblock herumzugehen, in dem sich Baxters Gemischtwarenladen, Wraxell’s Eatery und die anderen Geschäfte befanden. Die Gasse war breit, und ich stellte erfreut fest, dass sie sauber sowie frei von Unrat, Gestank und Ungeziefer war. Als ich sie zur Hälfte durchquert hatte, hörte ich eine so leise Stimme, dass ich erst glaubte, sie mir einzubilden.
Ich blieb stehen und lauschte …
»Mist! Das hast du mit Absicht gemacht. Ich weiß, dass es so ist. Du willst mir wieder alles vermasseln!«
Gut, die Stimme war leise, aber sie gehörte zweifellos Mary, und als ich mich umdrehte, sah ich ein schmales Fenster, das einen Spaltbreit offen stand.
Es war eigentlich ganz und gar nicht meine Art – bitte glauben Sie mir –, aber irgendetwas in meinem Kopf zwang meine Augen, durch diesen Spalt zu blicken …
Die Zeit schien stillzustehen, als mein Gehirn die makabre Szene vor meinen Augen richtig registriert hatte. Ein dünner, ausgezehrter Mann saß gebeugt in einem Rollstuhl – zweifellos Paul. Tiefe Falten des Alters oder der Verzweiflung hatten sein Gesicht gezeichnet, und sein Haar war völlig durcheinander. Doch sein schlechter körperlicher Zustand ließ das mitgenommene Erscheinungsbild und die Unreinlichkeit verblassen.
Ich fühlte mich schrecklich, als ich ihn musterte.
Seine Beine endeten an den Knien, von denen nur noch leerer Stoff herabbaumelte.
Seine Arme endeten an den Ellenbogen.
Mein Gott , dachte ich. Ich hatte nicht im Traum gedacht, dass der Unfall, den Mary erwähnt hatte, so schwerwiegend gewesen war. Mein Verstand wollte nicht glauben, dass dieser zerstörte Überrest eines menschlichen Körpers vor mehr als einem Jahrzehnt der energische siebzehnjährige »Ladenmitarbeiter« gewesen war, der Lovecraft/Robert Olmstead netterweise mit einer handgezeichneten Skizze der Stadt versorgt hatte.
Und was sich dort jetzt abspielte, war wahrhaft ein mitleiderregend Anblick.
Marys Bauch erschwerte es ihr, sich vorzubeugen, doch genau das tat sie, um an Pauls Hose herumzufingern. Mir war nun klar, welches Problem er zuvor gehabt hatte. Ein Eimer in der Ecke des Büros sagte mir, dass er diesen hatte erreichen wollen, als er aus dem Stuhl gefallen war, um zu urinieren, was angesichts seiner Behinderung keine einfache Aufgabe war. Ich konnte nur vermuten, dass seine Hose zu diesem Zweck jederzeit offen stand.
Mit offensichtlicher Abscheu auf dem Gesicht hielt Mary eine Blechdose zwischen die Beine des armen Mannes, in die er jetzt seine Blase entleerte.
Ihr Unbehagen schien immer größer zu werden. »Großer Gott, Paul! In dir ist ja mehr als in einem Pferd! Beeil dich!«
Eine weitere Minute verging, bis er endlich fertig war und Mary die Dose angewidert in einem kleinen Waschbecken ausgoss. »Du jammerst immer genau dann um Aufmerksamkeit, wenn ich auch mal welche bekomme.«
»Tue ich nicht«, jammerte er. »Ich musste mal, und du warst nicht da.«
Sie setzte sich mit einiger Mühe auf einen Klappstuhl und umfing ihren geschwollenen Bauch mit den Armen. »Ich mache das alles nur für dich und Stiefvater, weißt du. Ich habe zwei Jobs und bekomme noch ein Baby. Ich bin es so leid, dass du mich als selbstverständlich ansiehst. Du hast Glück, dass du noch am Leben bist, und das wärst du nicht, wenn ich nicht gewesen wäre, Paul.«
Paul tobte und wackelte mit den Armstümpfen. »Oh ja, ich habe so ein Glück, noch am Leben zu sein! Vielen Dank auch!«
»Sag nicht so
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