Innswich Horror (German Edition)
»Oh, ich weiß, wen du meinst.« Ein Kichern. »Ich war oben, habe durch die Gucklöcher geschaut und gesehen, wie er – ihr wisst schon – an sich herumgespielt hat!«
»Nein!«
»Er hat sich einen runtergeholt! In der Badewanne …«
Die anderen lachten, während ich, wie zu erwarten, meine Stimmung in den Keller rutschen spürte. Sie konnten nur über mich sprechen.
»… und du hast recht, er sieht recht gut aus, aber mir haben die anderen beiden viel besser gefallen.«
»Die Männer aus Boston?«
»Genau. Ich hätte nichts dagegen gehabt, es mal mit einem von ihnen zu tun zu bekommen.«
»Aber, Lisa! Von denen sieht jetzt keiner mehr besonders gut aus!« Daraufhin kicherten sie alle los.
Ich konnte nur durch das Loch starren, mehr mit meinen konfusen Gedanken beschäftigt als mit der Szene im Raum. Das war unerhört, Frauen, die überaus wahrscheinlich Zimmermädchen waren, spionierten Hotelgäste aus. Das war sicher strafbar, und ich hatte ganz sicher einen Anwalt, der das Hotel nur zu gern verklagen würde, aber …
Was war der Grund für all das?, fragte ich mich trotz meiner Beschämung und meines Schrecks. Frauen waren nicht gerade als Voyeure bekannt; diese Verirrung war allein Männern vorbehalten. Und der Verweis auf zwei Männer aus Boston konnte sich nur auf Mr. Garret und Mr. Poynter bezogen haben. Von denen sieht jetzt keiner mehr besonders gut aus?
»Gott, es ist nur so deprimierend, es tun zu müssen, wenn sie so sind«, kam eine andere Anmerkung. »Ich bin froh, dass ich schwanger bin.«
»Genau. Und sie werden den Mann aus Providence nicht behalten.«
»Warum nicht?«
»Ich hab doch gesagt, dass er reich ist. Die anderen sind immer arme Schlucker – keiner weiß, dass sie hier sind –, aber der Mann aus Providence …«
»Der ist kein armer Schlucker, wenn er reich ist. Jemand würde kommen und nach ihm suchen …«
Selbst wenn ich meine Vorstellungskraft aufs Äußerste anstrengte, hatte ich keine Erklärung für die Worte, die ich da hörte, noch für die haarsträubenden Beweise, die ich aufgrund meiner Neugier aufgedeckt hatte.
Ich ging weiter zum nächsten Loch …
Großer Gott …
… und sah die wohl makaberste Szene, die ich in meinem dreiunddreißigjährigen Leben bisher gesehen hatte.
Mehrere Matratzen lagen auf dem Boden, und in den Ecken standen einige Metallpfannen. »Gott, wie ich es hasse«, erklang die Beschwerde einer Frau. Es handelte sich um noch eine schwangere Frau, diese war aber eher schäbig und älter. Sie hatte sich auf die Knie niedergelassen und neigte sich zu einem Mann, der auf einer der Matratzen lag.
Oder, um mich schleunigst zu korrigieren: zu den Überresten eines Mannes …
Er lag zergliedert da, nackt, mit Narben an den Stellen, wo man ihm die Arme an den Ellenbogen und die Beine an den Knien abgenommen hatte. Er war schlank, hatte blasse Haut und trug einen Bart, und die schwangere Frau wusch ihn gerade mit einem klatschnassen Schwamm im Lendenbereich. Ihr Ausdruck des Widerwillens hätte nicht anschaulicher sein können. »Die stinken bloß so! Oh, und die Läuse! Ich hasse das wirklich so sehr !«
» Du hasst es!«, beschwerte sich eine zweite Frau. »Du musst es ja nicht tun !«
Dieser Einwand war von der vordersten Matratze gekommen, auf der ein Mann in identischem Zustand wie der erste lag, nur dass dieser glatt rasiert und blond war. Ich konnte Stiche an seinen Stümpfen erkennen. Doch die Frau war nicht dabei, ihn zu waschen – sie hatte gerade unverhohlen Geschlechtsverkehr mit ihm, einen Ausdruck des Unwillens im Gesicht.
Und dieses Gesicht kannte ich.
Monica, schoss es mir durch den Kopf, vom Pier. Ich hatte sie erst vor Kurzem im Treppenhaus gesehen, als sie durch die ständig verschlossene Tür im ersten Stock gegangen war.
Jetzt wusste ich, warum man die Tür immer absperrte.
Welche Art von Wahnsinn konnte erklären, was ich da gerade vor mir sah? Diese armen Männer waren eindeutig zu Invaliden gemacht worden. Dass sie identische Unfälle erlitten hatten? Ausgeschlossen. Und ihre Amputation spiegelten exakt die von Marys Bruder Paul wider. Welche üble Ahnung drängte mich zu glauben, dass diese Männer mit Absicht und vorsätzlich ebendieser obszönen Absicht wegen verstümmelt worden waren?
Am hintersten Rand meines Sichtfelds erkannte ich ein drittes Opfer auf einer Matratze. Auf dessen Lende hatte sich eine andere dünne, junge Frau energisch niedergelassen und ihren Rock hochgezogen, um ihr Privates
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