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INRI

INRI

Titel: INRI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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geglaubt hatten, er würde sie gegen die römischen Unterdrücker führen, irrten seine Blicke hin und her, und er taumelte gelegentlich von der Straße herunter und wurde von einem der römischen Soldaten zurückgestoßen.
    »Du bist zu emotional, Karl. Warum benutzt du nicht deinen Verstand und reißt dich zusammen…?«
    Er erinnerte sich an die Worte, aber er fand es schwer, sich zu erinnern, wer sie gesprochen hatte oder wer Karl war.
    Die Straße, die auf den Berg hinaufführte, war steinig, und er rutschte manchmal aus. Er erinnerte sich dabei an einen anderen Berg, auf den er gestiegen war. Ihm schien, er mußte damals noch ein Kind gewesen sein, aber die Erinnerungen liefen ihm durcheinander. Er konnte nicht mehr sagen, wann es gewesen war.
    Er atmete schwer und mit ziemlicher Mühe. Den Schmerz von den Dornen in seinem Kopf spürte er kaum, aber sein ganzer Körper schien im Takt mit seinem Herzen zu pochen. Er glich einer Trommel.
    Es war Abend. Die Sonne ging unter. Er fiel auf das Gesicht, riß sich die Haut an einem scharfen Stein auf, als er eben den Gipfel des Berges erreicht hatte. Er verlor das Bewußtsein.
    Er war ein Kind gewesen. War er noch ein Kind? Sie würden doch ein Kind nicht umbringen. Wenn er ihnen klarmachte, daß er ein Kind war…?
    Und sie brachten ihn an die Stätte Golgatha, das ist verdolmetscht: Schädelstätte. Und sie gaben ihm Myrrhe im Wein zu trinken; und er nahm's nicht zu sich.
    Markus 15, 22-23
    Er stieß den Becher von sich. Der Soldat zuckte die Achseln und griff nach einem seiner Arme. Ein anderer Soldat hielt schon seinen anderen Arm.
    Als er wieder zu Bewußtsein kam, begann er heftig zu zittern. Er spürte die starken Schmerzen von den Stricken, die ihm an den Hand- und Fußgelenken ins Fleisch schnitten. Er bäumte sich auf.
    Er spürte etwas Kaltes an seiner Handfläche. Obwohl es nur einen kleinen Fleck in der Mitte seiner Hand bedeckte, schien es sehr schwer zu sein. Er hörte ein Geräusch, das auch den gleichen Rhythmus wie sein Herzschlag hatte. Er verdrehte den Kopf, um die Hand anzusehen. Es war eine Menschenhand.
    Der große eiserne Nagel wurde von einem Soldaten, der einen schweren Hammer schwang, in die Hand getrieben, während er auf dem schweren Holzkreuz lag, das jetzt waagerecht auf der Erde lag. Er sah zu und wunderte sich, warum er keinen Schmerz spürte. Der Soldat schwang den Hammer höher, als der Nagel auf das Holz stieß. Zweimal verfehlte er den Nagel und traf die Finger.
    Er drehte den Kopf zur anderen Seite und sah, daß der zweite Soldat auch einen Nagel einschlug. Offensichtlich hatte er den Nagel oft verfehlt, denn die Finger dieser Hand waren blutig und zerquetscht.
    Der erste Soldat hatte seinen Nagel eingeschlagen und widmete seine Aufmerksamkeit nun den Füßen.
    Er spürte das Eisen durch sein Fleisch fahren, hörte das Hämmern.
    Mit Hilfe einer Seilrolle richteten sie das Kreuz jetzt auf. Glogauer merkte, daß er allein war. An diesem Tag wurde sonst niemand gekreuzigt.
    Das kleine Silberkreuz baumelte zwischen den Brüsten, das große Holzkreuz näherte sich.
    Seine Erektion kam und verging wieder.
    Er sah deutlich die Lichter Jerusalems unter sich. Es war noch ein wenig Helligkeit am Himmel, aber sie verblaßte schon.
    Bald würde es völlig dunkel sein.
    Eine Menge Menschen sahen zu. Eine der Frauen kam ihm bekannt vor. Er rief sie.
    »Monica?«
    Aber seine Stimme war brüchig, und das Wort war nur ein Flüstern.
    Die Frau sah nicht auf.
    Er spürte, wie sein Körper an den Nägeln zerrte, die ihn hielten. Er meinte, einen plötzlichen Schmerz in seiner linken Hand zu spüren. Er schien stark zu bluten.
    Es war merkwürdig, dachte er, daß er es sein sollte, der dort hing. Er nahm an, daß es das Ereignis war, das er ursprünglich hatte miterleben wollen. Daran gab es tatsächlich kaum einen Zweifel. Alles hatte perfekt geklappt.
    Der Schmerz in seiner linken Hand war stärker geworden.
    Er sah zu den römischen Wachen hinunter, die am Fuße des Kreuzes würfelten. Er lächelte. Sie waren in ihr Spiel vertieft. Die Augen auf den Würfeln konnte er aus dieser Entfernung nicht erkennen.
    Er seufzte. Die Bewegung seiner Brust schien den Zug an seinen Händen noch zu verstärken. Die Schmerzen waren jetzt ziemlich schlimm. Er stöhnte und versuchte sich irgendwie an das Holz zurückzulehnen.
    Er atmete mühsam. Der Schmerz breitete sich über seinen ganzen Körper aus. Er biß die Zähne aufeinander. Es war schrecklich. Er keuchte

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