INRI
allein darum kümmern, die Verbrühung sei nicht der Rede wert.
Die folgenden zwei Tage, bis seine Mutter ankam, um ihn von dem Lager abzuholen, waren die schlimmsten, die er je erlebt hatte.
Kurz vor der Ankunft seiner Mutter machte Mrs. Patrick einen Versuch, die Blasen mit einer Nagelschere wegzuschneiden, damit es nicht so schlimm aussähe.
Seine Mutter nahm ihn mit und schrieb später an Mr. Patrick und verlangte ihr Geld zurück. Sie schrieb, es sei eine Schande, wie er das Lager führte.
Er schrieb zurück, er würde das Geld nicht zurückerstatten. Und wenn sie es wissen wolle, sie habe einen Schwächling zum Sohn. »Wenn Sie meine Meinung wissen wollen«, schrieb er in dem Brief, den Karl las, sobald er dazu Gelegenheit fand, »Ihr Sohn ist ein kleiner Waschlappen.«
Ein paar Jahre später wurden Mr. Patrick, seine Frau und seine Gehilfen angeklagt und ins Gefängnis geschickt, wegen verschiedener sadistischer Handlungen in ihrem Sommerlagern auf der Insel Wight.
3
Morgens, und manchmal auch abends, trugen sie ihn auf seiner Bahre ins Freie.
Er war hier nicht, wie er zuerst angenommen hatte, in einem provisorischen Banditenlager, sondern in einer festen Siedlung. Es gab Felder, die von einer in der Nähe gelegenen Quelle bewässert wurden. Darauf wurde Getreide angebaut, und auf den Hügeln weideten Ziegen- und Schafherden.
Ihr Leben verlief ruhig und gemächlich, die meiste Zeit gingen sie ihrer Tagesarbeit nach und kümmerten sich nicht um Glogauer.
Manchmal erschien der Täufer und erkundigte sich nach seinem Befinden. Einige Male stellte er auch rätselvolle Fragen, die Glogauer beantwortete, so gut er konnte.
Sie schienen freundliche Menschen zu sein und sich an wesentlich mehr kleinere religiöse Riten zu halten, als Glogauer selbst für eine solche Gemeinde als normal angesehen hätte. Er nahm wenigstens an, daß es religiöse Riten waren, zu denen sie so oft gerufen wurden, denn sie spielten sich dort ab, wo er sie nicht sehen konnte.
Glogauer war im wesentlichen seinen eigenen Gedanken, seinen Erinnerungen und Spekulationen überlassen. Seine Rippen heilten sehr langsam, und er wurde ungeduldig und fragte sich, ob er jemals das Ziel erreichen würde, um dessentwillen er gekommen war.
Glogauer war überrascht, wie wenige Frauen der Gemeinde angehörten. Die Atmosphäre war fast wie in einem Kloster, und die meisten der Männer mieden die Frauen. Ihm wurde allmählich klar, daß es sich wahrscheinlich in der Hauptsache um eine religiöse Gemeinschaft handeln mußte. Waren die Leute vielleicht Essener?
Wenn Sie Essener wären, würde das eine Reihe von Dingen erklären - das weitgehende Fehlen von Frauen (wenige Essener hielten etwas von der Ehe), die apokalyptischen Glaubensvorstellungen des Johannes, das Schwergewicht, das auf religiöse Handlungen gelegt wurde, das strenge, einfache Leben, das diese Leute führten, die Tatsache, daß sie anscheinend absichtlich von anderen Menschen abgesondert lebten…
Clogauer fragte den Täufer bei der nächsten Gelegenheit.
»Johannes - nennt man euch Essener?«
Der Täufer nickte.
»Wie kamst du darauf?« fragte er Glogauer.
»Ich - ich habe von euch gehört. Hat euch Herodes geächtet?«
Johannes schüttelte den Kopf. »Herodes würde uns ächten, wenn er es wagte, aber er hat keinen Anlaß. Wir führen unser eigenes Leben, tun keinem etwas zuleide, machen keinen Versuch, anderen unseren Glauben aufzuzwingen. Von Zeit zu Zeit ziehe ich aus und predige unser Glaubensbekenntnis - aber damit verstoße ich gegen kein Gesetz. Wir achten die Gebote des Moses und predigen nur, daß auch andere sie befolgen sollen. Wir sprechen nur für Gerechtigkeit. Selbst Herodes kann da nichts dagegen haben… «
Jetzt verstand Glogauer den Sinn einiger der Fragen besser, die Johannes ihm gestellt hatte; verstand, warum diese Leute gerade so und nicht anders lebten und handelten.
Es wurde ihm nun auch klar, warum sie die Art seines Auftauchens mit so wenig Erregung aufgenommen hatten. Eine Sekte wie die Essener, die sich in dieser heißen Wüste in Selbstkasteiung und Fasten übten, mußte an Visionen gewöhnt sein.
Es fiel ihm auch ein, daß er einmal auf die Theorie gestoßen war, daß Johannes der Täufer ein Essener gewesen sei und daß viele der frühchristlichen Ideen auf die Vorstellungen der Essener zurückgingen.
Die Essener nahmen zum Beispiel rituelle Bäder - Taufe -, sie glaubten an eine Gruppe von zwölf von Gott ausgewählten Männern (die
Weitere Kostenlose Bücher