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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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kroch in ihr hoch. Sie sah sich in einem Raum sitzen, hoch über sich ein vergittertes Fenster, die Wände in einem kränklichen Gelb. Sie hörte Stimmen so scharf wie ein Henkersbeil. Wie Raubtiere umschlichen sie die Polizisten, hatten ihre Krallen in sie geschlagen, trieben sie mit ihren Fragen in die Enge, ihre Mündern schnappten zu wie Fallen. Und sie hörte sich lügen, lügen, lügen.
    Ihr Herz begann zu rasen, sie japste nach Luft, atmete immer tiefer und schneller. Sie musste sich festhalten, schwarze Flecken schwammen durch ihr Gesichtsfeld.
    »Höraufhöraufhörauf«, rief eine schwache Stimme in ihr, »hör auf! Reiß dich zusammen!« Mit dem letzten Rest ihres Bewusstseins gehorchte sie, zwang sich aufzustehen, zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, in die Küche zu gehen, sich ein Glas Wasser einzugießen. Schweißgebadet von der Anstrengung lehnte sie am Tür-pfosten, trank das kalte Wasser, atmete kontrolliert, bis ihr Herz langsamer schlug, die schwarzen Flecken verschwanden. Sie wusste, es war ihre eigene Angst, die sie gerochen hatte, die sie dreiundzwan-zig Jahre zurück in einen kahlen Raum des Polizeipräsidiums von Durban versetzte, als zwei Polizisten sie beschuldigten, Cuba Mkize, den schwarzen Terroristen, versteckt zu haben.
    Sie unterdrückte ein Zittern. In diesem Raum waren ihrer Seele Verletzungen zugefügt worden, die nie wieder verheilt waren.
    »Verdammt«, knirschte sie, »nicht einmal eine hässliche, zerrupfte, unrechtmäßig gepflanzte Fichtenhecke kann ich verhindern, so klein haben die mich gekriegt!« Sie warf sich aufs Sofa und vergrub ihr Gesicht in den Kissen.
    Über ihr wanderte der Schatten der Fichtenwand langsam durchs Wohnzimmerfenster und legte sich kalt auf ihren Rücken, als bedecke sie jemand mit schwerer, kalter Erde.
    Nach langer Zeit drang die Fanfare der Tagesschau in ihr Bewusst-sein. Durch einen Tränenschleier schaute sie flüchtig hin. Auf dem Bildschirm schwenkte die Kamera über eine blutige Szene .Verletzte und Tote lagen verstreut zwischen rauchenden Wrackteilen auf einer Straße. Irgendwo auf dieser Welt war eine Autobombe explodiert. Die tägliche Horrordosis in der Tagesschau. Sie drehte sich weg. Es machte sie krank.
    »... in Durban, Südafrikas Hafenstadt am Indischen Ozean«, sagte die vertraute Stimme des Afrikakorrespondenten der ARD, und ihr Kopf ruckte herum.
    Durban! Südafrika! Ihr verlorenes Paradies. Sofort drückte sie die Aufnahmetaste des Videorecorders. Alles, was über Südafrika gesendet wurde, nahm sie auf. Es war wie eine Sucht. Über sechzig Stunden Südafrika hatte sie mittlerweile auf Band. Nur wenn sie allein im Haus war, sah sie sich die Aufzeichnungen an. lan und die Kinder sollten ihre Tränen nicht sehen. Jan und Julia waren zu Europäern geworden, verbrachten ihre Ferien 36
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    in Italien und Frankreich, hatten inzwischen mit der Leichtigkeit von Menschen, die mehrsprachig aufgewachsen waren, die Sprachen dieser Länder gelernt. »Wer sich durch Zulu gekämpft hat, dem perlt Italienisch von der Zunge, ich brauche Herausforderungen«, merkte Julia trocken an und vertiefte sich in Mandarin. Ihr Afrika war das Land ihrer Kindheit, unwirklich wie ein Märchen. Sie schauten vorwärts, die Welt stand ihnen offen. Dieses Gleichgewicht wollte sie nicht zerstören.
    Am sorgfältigsten jedoch verbarg sie ihre Tränen vor lan, zu sehr fürchtete sie seine unerklärliche Versteinerung, den neuerlichen Schmerz. Der feine Haarriss, den ihr Vertrauen erlitten hatte, begann an den Rändern zu verwittern, zu bröckeln, er begann größer zu werden.
    Sie fühlte sich wie ein gestrandeter Zugvogel im Winter in diesem Land, sehnte sich nach Afrika, seiner Wärme, dem endlosen Himmel, sehnte sich nach dem Lachen der Menschen, die sie dort zurücklassen musste. Einmal übermannte sie das Heimweh, und sie erwähnte doch einen Besuch in Südafrika. Er fuhr zusammen, als hätte sie ihm körperliche Schmerzen zugefügt. Dieses Thema blieb als scharfkantiger Stolperstein zwischen ihnen. lan konnte sie davor bewahren, sich daran zu stoßen, aber sie verletzte sich in unachtsamen Momenten immer wieder.
    »Zwei Tote, über dreißig Verletzte«, unterbrach der Tagesschau-sprecher ihre Gedanken. Vor dem Hintergrund des Blaulichtgewitters der Polizeiautos und Ambulanzen, bewachten blauuniformierte Polizisten mit Maschinenpistolen die Verletzten, Toten und das zerfetzte Wrack.
    Ein giftrosa Schuh lag auf der Straße, eine beringte Hand, zwei

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