Ins dunkle Herz Afrikas
schlug um sich, kämpfte gegen Heerscharen unsichtbarer Dämonen, fiel in den Matsch und blieb einfach sitzen. Es dauerte lange, ehe sie sich endlich aufraffte und durch den allmählich nachlassenden Regen zu den Hütten hinaufstapfte.
Der Schlamm saugte sich an ihren Füßen fest, machten sie tonnenschwer, aber schließlich erreichte sie das Umuzi durch die Lücke, die der Erdrutsch in die Dornenhecke gerissen hatte. Sie fand dort Moses und die zwei anderen Männer an den Palisadenzaun des Viehgeheges gefesselt. Ihre Waffen lagen auf einem Haufen etwas abseits, zu Lukas' Füßen, der im Schutz der Vorratshütte stand.
Sie berichtete ihm, dass Mary abgestürzt und im Fluss verschwunden sei. Von Sarah sagte sie nichts.
Er band die Männer los, blaffte ein paar Befehle in Zulu, offenbar unmissverständlich, denn die drei sprangen auf, hasteten durch den aufspritzenden Schlamm und zwängten sich durch die Hecke. Moses zögerte, lief noch einmal zurück und bückte sich nach seiner Maschinenpistole.
»Cha!« Lukas sagte es nicht laut, aber es stoppte Moses im Lauf. »Gijima!«
Henrietta brauchte keine Übersetzung, die Reaktion von Moses genügte. Er wirbelte herum und floh über den Hof, rutschte, fiel hin, verlor einen Schuh, ließ ihn im Matsch stecken, warf sich in die Heckenöffnung und war weg. Das Geräusch brechender Äste, unterdrückter Flüche, halblauter Rufe, das die Flucht der drei begleitete, wurde schnell schwächer, und dann waren sie allein. Der Albtraum war vorüber.
»Das war wohl Zulu für >verpisst euch<«, bemerkte Isabella, als sie und Lukas die Hütte bettaten. Sie hatte ihre Haare hoch gesteckt, dass es als rotgoldene Krone auf ihrem Kopf saß, hatte das Gesicht im Regen gewaschen und lachte. Ein völlig absurdes Geräusch für eine junge Frau, die nach Tagen von Schmerzen, Durchfall und Todes-341
angst, knapp einer Vergewaltigung entgangen war. Aber ihr Blick ging zu Lukas, und Henrietta verstand.
Daraus kann nichts werden, das weißt du doch, die ganze Welt ist gegen euch, hätte sie ihr am liebsten gesagt, um sie zu schützen, aber ihre innere Ordnung war derartig durcheinander geraten, dass sie nichts mehr für gegeben hielt und sich nicht imstande sah, ihrer Nichte einen Rat zu geben. Stattdessen wandte sie sich an Susi. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Susi antwortete nicht gleich, betrachtete mit gerunzelter Stirn eine Spinne, die über den langen, blutenden Kratzer auf ihrem Arm kroch. Henrietta wartete auf ihre übliche kreischende Panik. Aber Susi schüttelte die Spinne ab, hob ihren Fuß, um sie zu töten, zögerte dann, fing das Tier behutsam ein und beförderte es mit Schwung nach draußen.
Henrietta klatschte Beifall, und Susi Popp ballte wie nach einem Sieg die Faust, ihre wunderschönen Augen funkelten im Triumph. »Oh, mir geht es bestens, danke«, lachte sie triumphierend, »ich meine, weder das Krokodil noch die Teufelsschlange, noch Mary oder diese Kerle haben es geschafft, mich kleinzukriegen - hättest du gedacht, dass ich so ein zäher Brocken bin?
Hättest du gedacht, dass ich eine Spinne anfassen könnte?«
Henrietta sah die Susi von Hamburg vor sich, die im Nerz und Chanelkostüm, und musste auch lächeln. »Nein, nein, wirklich nicht! Vor sehr langer Zeit kannte ich einmal eine junge Frau, die dir entfernt ähnlich sah«, kritisch musterte sie Susis schmaler gewordene Gestalt, die hohen Wangenknochen, die allmählich durch die Anstrengungen der letzten Tage unter den Fettpolstern hervorkamen,
»aber sie war lange nicht so schön wie du, und sie ist schon bei den geringsten Anlässen umgefallen, nicht einmal ein klitzekleines bisschen Blut konnte sie sehen, geschweige denn eine Spinne anfassen.« Susi wurde rot vor Vergnügen, kringelte sich förmlich vor Freude, und im Überschwang fiel sie Ron um den Hals. Er schob seinen gesunden Arm um ihre Schultern und küsste sie lange und mit Hingabe.
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Henrietta stand mitten in der Hütte, allein, von niemandem mehr wahrgenommen, und wünschte sich in lans Arme wie noch nie zuvor. »Wir müssen versuchen, zum Fluss durchzukommen«, sagte sie in den Raum, »den Alten und den Jungen, Umbani, müssen wir mitnehmen, sie können nicht allein hier bleiben, der Alte ist ziemlich krank.«
»Er ist auch heute Nacht gestorben, seine Lunge war zerlöchert von Tuberkulose, und Umbani ist verschwunden«, informierte Lukas sie. »Ihr müsst ohne mich gehen. Es wird nicht schwierig sein, zum Fluss zu gelangen, wenn ihr den
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