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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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gewesen war als in seinem kleinen Dorf in Zululand. Sie schliefen im Buschcamp in komfortablen Zelten, immer zu zweit, Henrietta und lan, Julia und eine Freundin und die beiden Jungs, Jan und Malabuli, dessentwegen sie nach Botswana gefahren waren, wo zwischen Schwarz und Weiß offiziell kein Unterschied gemacht wurde. Tagsüber durchstreiften sie zu Fuß mit zwei Garne Rangers, einem Weißen und einem
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    Tswana, den Busch, und abends servierte ihnen ein schwarzer Koch in blütenweißer Kochmütze ihre Mahlzeiten am Lagerfeuer im flackernden Ker/enschein unter einem endlosen, samtigen Sternen-himmel, und die Luft war erfüllt von den Klängen Afrikas. »Afrikas Wiegenlied«, hatte sie geflüstert,
    »hörst du es?« Aber er hatte nur das Schrillen der Zikaden gehört und das Blöken der Ochsenfrösche. Manchmal hatte ein größeres Tier im Busch geschnauft, nur Meter entfernt, und gelegentlich ein Nachtvogel geschrien.
    »Wiegenlied?«, war seine verständnislose Gegenfrage gewesen. »Nein - ich hör bloß den Radau, den die Frösche machen. Hätte ich ein Gewehr, dann würde ich die abknallen, damit endlich Ruhe ist!«
    Sie hatte ihn nur entsetzt angestarrt und etwas von mutierendem Erbgut gemurmelt.
    Nach dem Dinner am letzten Abend hatten Johnnie und Jan heimlich das Camp verlassen. »Wir gehen auf Pirsch, und dazu brauchen wir ein Gewehr«, hatte Jan Malabuli erklärt, »alle Wildhüter haben eins.« Die anderen saßen noch am Feuer, im Zelt des weißen Wildhüters hing eins der Gewehre am Zeltmast, die Patronen fanden sie in einer Schachtel tanter dem Bett. Es war eine Schrotflinte, und sie war geladen, er steckte aber noch zwei Pattonen ein.
    Malabuli hatte verlangend über den polierten Kolben gestrichen. Er war vierzehn, zwei Jahre älter als sein weißer Freund, und beide träumten sie davon, Wildhüter zu werden. Geräuschlos waren sie im mondbeschienenen Busch verschwunden.
    Es wäre sicher alles ganz anderes gekommen, wenn er nicht in der Aufregung über sein verbotenes Abenteuer vergessen hätte, dass Nahrung ihren vorbestimmten Weg durch den Körper nimmt, um dann unweigerlich in veränderter Form wieder ans Tageslicht zu drängen. Mitten im Busch musste er mal.
    »Dann red nicht so viel, pinkel, und komm weiter«, hatte Malabuli ihn angezischt.
    »Ich muss nicht pinkeln, ich muss mal richtig«, hatte er gequält geantwortet.
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    Malabuli hatte ihm einen Stoß gegeben, dass er ins dichte Gebüsch taumelte.
    »Such dir einen freien Platz und scheiß zu!« Im Busch raschelte es, Zikaden kreischten, ein Grunzen ganz in seiner Nähe hatte ihn zusammenfahren lassen, ein Schnauben wie von einem Blasebalg und schwere Tritte hatten ihm den Herzschlag in die Kehle gejagt. Rasch war er in den Schatten eines Busches geschlüpft, trat dabei in etwas Breiiges, Warmes, fluchte angeekelt und hockte sich ein paar Schritte weiter hin. Eine Wolke zog über den Mond, es wurde finster. Fliegen summten, feuchte, brutige Wärme legte sich auf ihn. Er drückte.
    Der Biss war kurz, heftig und äußerst schmerzhaft gewesen, hatte ihn an der fleischigsten Stelle seines Gluteus maximus getroffen. Er hatte aufgebrüllt, wie er noch nie gebrüllt hatte, sicher, dass er seinen Darminhalt auf eine Schlange entleert hatte.
    »He, Ibhubesi, großer Löwe!«, hatte sein Freund gespottet. »Was brüllst du so?«
    Er hatte nicht antworten können. Die Welt um ihn war in Bewegung geraten, heißer Brodem blies ihm ins Gesicht, es stank nach Kuhstall, und dann glitt die Wolke zur Seite, der Mond kam hervor, und er hatte in die glühenden Augen riesiger, schwarzer Ungetümer gestarrt, die im Kreis auf ihn zudrängten, die gefährlich gebogenen Hörner gesenkt.
    Er saß, Hosen runter, Hintern nackt, mitten in einer Herde von Büffeln, den gefährlichsten und angriffslustigsten Tieren Afrikas. Das war der Moment, als ihn der zweite Biss traf. Er quiekte, die Büffel rückten näher. Er schrie, schlug um sich, und die Büffel wichen einen halben Meter zurück.
    »Du musst Afrika die Stirn bieten«, hörte er seine Mutter sagen, »sonst verschlingt es dich. Nur wer Stärke zeigt, überlebt.« Und er brüllte. »Ha!«, brüllte er, »haut ab!« Eine Lücke zwischen den massigen Körpern tat sich auf, er schoss hindurch, seine Hose blieb zurück, und dann rannte er und schrie und schrie, bis er im Lager war und sein Vater ihn auffing. Danach war alles sehr schnell gegangen, lan hatte ihn auf sein Campingbett gelegt und untersuchte 464
    die

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