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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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Ohren zuhielten.
    Endlich, restlos außer Atem, schloss sie die Schwarze in die Arme. »Oh, Sarah!
    Ich bin wieder zu Hause.«
    Julia und Jan standen stocksteif da, starrten sie verstört an. »Mami, hör auf, so blöd herumzuhopsen!« Julia war deutlich peinlich berührt. »Du siehst komisch aus - du bist doch nicht schwarz.«
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    Sie hielt verdutzt inne. »Weiße Menschen tanzen doch auch!« »Aber nicht so -
    irgendwie ordentlicher.«
    Sie ging vor ihren Kindern in die Hocke. »Es hat überhaupt nichts mit meiner Hautfarbe zu tun, wie ich tanze. Sarah ist meine Freundin. Ich habe sie sehr lange nicht gesehen, und ich bin glücklich, sie wiederzuhaben. Deswegen tanze ich. Versteht ihr das? Ihr freut euch doch auch, wenn ihr eure Freunde wieder seht.« »Die sind weiß. Mit Eingeborenen gibt man sich nicht ab.« Sie erstarrte. Mamas Echo! Mit Eingeborenen gibt man sich nicht ab, sie gehören in den Kral, hörte sie Mama, es sind schließlich praktisch noch Wilde, die sind doch grad erst von den Bäumen heruntergekommen. Man kann gar nicht vorsichtig genug sein, hatte sie meist viel sagend hinzugesetzt, als färbten diese Menschen ab. Schamröte kroch ihr den Hals hoch. »Hört mal ...«, begann sie hitzig, doch Sarah hielt sie zurück. »Es ist in Ordnung, sie werden es lernen.
    Meine Babys!« Ihre Stimme wurde tiefer, weicher. Sie legte den rechten Arm um die widerstrebenden Zwillinge, der linke steckte in der Tasche ihres Kleides.
    »Meine Babys, wie groß ihr seid und wie kräftig!« Sie strich ihnen über die Haare. »Erinnert ihr euch an mich?«
    Jan machte sich steif, löste sich aber nicht von der schwarzen Frau. »Ich muss immer an Wackelpudding denken«, murmelte er dann unsicher.
    »... mit Vanillesoße?« Julia kniff fragend ihre Augen zusammen. »Hattest du nicht eine Zahnlücke?« Jan tippte an seinen Vorderzahn. »Hier.«
    Sarah lachte, zeigte augenrollend alle ihre Zähne, der linke Vorderzahn glänzte noch weißer als ihre eigenen. »Porzellan, wie eine Teetasse«, grinste sie, »drei Jahre haben meine Hände dafür gearbeitet. Sie nahm Sarahs zur Klaue verkrümmte linke Hand. »Was ist mit deinem linken Arm passiert, Sarah?«
    Sarah senkte die Lider, und ihr leuchtendes Wesen verschwand. Ein kühler Luftzug strich über Henriettas Haut, prickelte auf ihrem Rücken. Sie wusste, wie die Antwort lauten würde. Zart streichelte sie die 56
    seidige dunkle Haut, fuhr mit dem Zeigefinger über die glänzende Narbe oberhalb des Ellbogengelenks. »Diese Schweine«, sagte sie. »Ich trage sein Gesicht in mir«, sagte die Zulu, »ich werde ihn finden.« Weder war ihr Ton besonders noch ihre Gestik drohend, doch sie wusste, dass sie eben ein Todesurteil gehört hatte. Es stand nicht mehr Sarah vor ihr, sondern ihr dunkles Zwillingswesen. Wie ein bedrohlicher Schattenvogel hockte es auf ihrer Schulter, aufgetaucht aus den archaischen Schichten ihrer Persönlichkeit, anders, fremd, etwas in Henrietta berührend, das tief in ihrem Unterbewusstsein lag.
    Für Sekunden hatte Afrika ihr sein dunkles Herz offenbart. Beklommen starrte sie Sarah an, erkannte sie kaum. War es ihr eigenes Herzklopfen, das sie hörte? Oder dumpfe Stimmen, die unheilvolle Beschwörungen murmelten?
    Undeutliche Bilder kamen in ihr hoch, von rauchgefüllten Hütten, fellbehängten Zauberdoktoren, Schlangenhäuten, Haufen weißlicher Tierknochen, und von Victor.
    Dr. Victor Ntombela, der schwarze Rechtsanwalt aus Empangeni, den sie über Vilikazi kennen gelernt hatten, ein distinguierter Mann um die vierzig. Er trug Nadelstreifenanzüge, Talar und Perücke vor Gericht, las mit Vorliebe Sartre, zitierte aus Voltaire. Sonntags röhrte er mit seinem Motorrad über Zululands grüne Hügel. Doch dann trafen sie ihn auf einem Stammesfest in der Tracht seines Volkes und erkannten ihn kaum wieder.
    Ein Kopfband aus Leopardenfell, ein volles Leopardenfell über die Schulter geworfen, an den Oberarmen und unterhalb der Knie ein geflochtenes Lederband mit dichten Büscheln langhaariger Kuhschwanzquasten; der Lendenschurz aus weichstem Kalbsfell fiel bis auf seine Knöchel, und von einem Fellgürtel hingen lange Streifen Fell verschiedener Tiere. Eine imposante, überaus fremde Erscheinung. Mit dieser Tracht veränderte sich auch sein Verhalten gegenüber seinen weißen Freunden. Er stand sehr gerade, bewegte sich gemessen und würdevoll, und obwohl er kleiner war als lan, schien er auf diesen herunterzusehen.
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    Aus Dr. Victor Ntombela war Ukuduma

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