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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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beschäftigte: Möge ihr Gott den Krieg beenden, damit sie wieder für den Patron, wie sie Henriet-tas Vater nannten, arbeiten könnten. Der zweite stand für den Tag, an dem sie geboren wurde, die Moslems unter den Insulanern gaben ihr den Namen ihrer wichtigsten Heiligen, und von dem vierten wusste sie bis heute nicht, was er bedeuten sollte. In Papas altem Wörterbuch fand sie »Hexe«. Aber das war in der Sprache der Kolonialherren, nicht der der Eingeborenen. Überall auf den Inseln und auch auf dem Festland, wo Mitglieder des Stammes lebten, kannte man sie unter diesen Namen, erkundigte man sich nach ihrem Wohlergehen und nannte sie »unsere Verwandte«.
    Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang trug Malan sie herum, auf seiner Hüfte sitzend oder in einem Tuch auf den Rücken gebunden. Oft hockte Malan mit ihr in einem Kreis lachender, schwatzender Stammesfreunde. Sie scherzten und spielten mit ihr, streichelten sie, schwangen sie herum. Unter dem haushohen, lichten Gewölbe eines Kokospalmenhains auf dem warmen Sandboden sitzend, der mit tanzenden Sonnenflecken wie mit heruntergefallenen Sternen übersät war, im Hintergrund das hypnotisierende Rauschen der lang gezogenen Wellen, die aus der Weite des Atlantiks heranrollten und sich an 62
    den Inseln brachen, erzählten sie ihr Legenden, von denen sie nur Warme erinnerte, Rot, leuchtendes Ocker, sattes Grün und eine ferne Melodie, wie das Seufzen des Windes in den Palmwipfeln in Erinnerung.
    Deswegen fühlte sie ihre Freunde, sah sie nicht, wie ein Spiegel sie zeigen würde, war sich immer ihres Schattenvogels bewusst.
    »Kommt in die Küche, meine Babys«, rief Sarah und war wieder wie immer, warmherzig, offen, liebevoll.
    Ihre weiße Schwester aber wusste, dass sie eben mit einem Afrika in Berührung gekommen war, das ihr Angst einflößte, sie abstieß, sie nach europäischer Sanftheit und Normalität sehnen ließ. Es war das heidnische Afrika der Geisterheiler und Hexenmeister, der Menschenopfer, der mondhellen Nächte und schwarzen Schatten. »Wir sind keine Babys!«, protestierten die Zwillinge, folgten der Zulu aber neugierig. Kurze Zeit später arbeiteten sie sich enthusiastisch durch einen himbeerroten Wackelpudding mit dicker, cremiger Vanillesoße.
    Sarah wienerte die verfleckte Spüle. »Das Haus braucht ein Mädchen«, murmelte sie missbilligend.
    lan grinste frech. »Du hast Recht, Sarah - eine weiße Lady kann doch nicht auf dem Boden herumkriechen und schrubben!« Seine Worte zündeten ein vergnügtes Funkeln in den dunklen Augen. »Ho, ho«, lachte sie und stolzierte durch die Küche, ihre rechte Hand geziert gespreizt, mit der Linken schob sie einen imaginären Hut ins Gesicht, »ich bin eine weiße Lady, sehr, sehr vornehm -
    sieh meine lilienweiße Hände. Sie streckte ihre Hände aus, die verkrüppelte linke und die andere heile, rosa Handflächen nach oben. »Ich kann unmöglich den Fußboden schrubben, ich bin viel, viel zu fein -das muss ein dummer Kaffer machen!« Ein sehr direkter, sehr spöttischer Blick unter gesenkten Wimpern, ein sanftes Lachen, und Hen-rietta wurde rot.
    Sie lachte mit, fühlte sich gleichzeitig getroffen, und das schmerzte ein wenig. Aber sie war sich bewusst, dass ihr Sarah mit dieser kleinen 63
    Parodie gezeigt hatte, dass sie tatsächlich ihre Schwester war, denn diese Seite ihres Wesen verbarg sie sorgfältig vor jedem, der nicht ihre Hautfarbe hatte. In der Welt der Weißen stellte sie sich als dümmlich und langsamen Geistes dar, sie spielte ihnen perfekt das Bild der Schwarzen vor, das zu dem in ihren weißen Köpfen passte. Es machte sie so gut wie unsichtbar, nichts weiter als ein schwarzes Gesicht, nicht zu unterscheiden von unzähligen anderen schwarzen Gesichtern. Ohne Belang.
    Also lachte sie ebenfalls. »Es ist so verdammt heiß hier«, verteidigte sie lahm. »Nun gut, es stimmt, ich hasse Hausarbeit! Aber das hat gar nichts mit Schwarz und Weiß zu tun, und das weißt du ganz genau!« Sie boxte lan in den Oberarm. »Dorothy, Mrs. Strattons Hausmädchen, schickt ihre Cousine.«
    »Cousine - ha!«, brummte Sarah eifersüchtig, »alle sind immer Cousinen! Wird irgendein hergelaufenes junges Ding sein - wenn sie nichts taugt, wirf sie raus, und ich schicke dir jemanden. Ich habe eine Cousine«, sie grinste, »eine echte - sie heißt Augusta. Ich werde ihr eine Nachricht zukommen lassen, dann kannst du diese andere gleich wieder wegschicken.«
    Jetzt verzog ihre weiße Freundin ironisch ihren Mund.«Du

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