Ins dunkle Herz Afrikas
treffen wir uns.« Er schien sie nicht gehört zu haben. »lan?
Ist was?« Seine Augen schienen auf ein unsichtbares Bild gerichtet zu sein.
Als er sie ansah, wirkte er, als käme er von weit her, aus einer anderen Zeit.
»Nein, mein Liebling, es ist nichts, es ist alles in Ordnung.« »Du siehst wirklich nicht gut aus, kriegst du eine Grippe?« Besorgt legte sie ihm die Hand auf seine Stirn. »Fieber hast du ja wohl nicht...«
Er wich ihr aus. »Ich vergaß ganz, dir zu erzählen, dass Dr. Manning angerufen hat«, lenkte er ab. »Er schlägt vor, dass du deinen Bruder für tot erklären lässt, dann ist die Sache mit dem Erbe endlich geregelt.«
Die Ablenkung wirkte. »Der ist wohl verrückt, ich kann doch meinen Bruder nicht für tot erklären lassen«, fauchte sie, »das wäre ja, als würde ich ihn umbringen!«
»Irgenwann wirst du aber die Entscheidung treffen müssen, die Sache kann doch nicht ewig in der Luft hängen.« ^e biss sich auf die Lippen. »Ich weiß«, sagte sie nach einer Weile, »aber das kann ich einfach nicht.«
128
129
»Du und dein Heimweh nach Afrika!« Monika schob sich ein Stück Ente in den Mund. »Ich habe nie verstehen können, wie denkende Menschen noch in diesem Rassistenland leben konnten. Ich«, kaute sie, »ich hätte das nie gekonnt, ich meine, die schlachten die Schwarzen zu Tausenden ab, und die Weißen leben wie die Maden im Speck.«
lan schloss seine Augen zu blauen Schlitzen, und Henrietta wusste, dass er gleich sehr wütend werden würde. »Oh, wir gehörten zu den Guten, wir haben unsere Schwarzen nur einmal in der Woche ausgepeitscht, jeden Freitag mussten sie antreten!« »Findest du die Bemerkung passend?«, fragte Monika pikiert.
»Genauso passend wie deine. Wie oft warst du schon in Südafrika? Was weißt du von dem Land?«
Monika zuckte gleichzeitig mit den Schultern und spitzte den Mund. Sie trug sehr roten Lippenstift, der wie ein Blutfleck in ihrem weißen Gesicht saß.
Schwaden eines schweren französischen Parfüms stiegen aus ihren Kleidern in Henriettas empfindliche Nase. »Ich brauch nicht dagewesen zu sein, um zu wissen, dass die schwarze Minderheit brutal unterdrückt wird. Die stehen doch mit den Knien im Blut da unten. Kannst du jeden Tag in der Zeitung lesen oder im Fernsehen sehen.«
»Du warst also noch nie da, und doch nimmst du an, dass wir ständig bis zu den Knien im Blut der Schwarzen standen!« lans Ton war leise, aber messerscharf.
»Das ist doch alles Quatsch, lan würde doch nicht einmal einen Hund treten«, rief Ingrid Möllingdorf. »Wir waren Vorjahren zweimal dort. Man merkt überhaupt nichts von der Apartheid! Sie laufen doch frei auf der Straße herum, man kann ganz normal mit denen reden, und sie kaufen sogar im selben Laden ein wie wir.« Henrietta zuckte zusammen. Es klang, als spräche sie von wilden Tieren. »Schwarze dürfen nicht in einem Restaurant für Weiße essen.« Sie hörte selbst, wie läppisch das klang, gleichzeitig ärgerte sie sich, von den beiden zu dem erhobenen Zeigefinger gezwungen zu werden.
130
Ingrid hob spöttisch ihre Brauen. »Nun, das werden sie sich ja wohl auch kaum leisten können, nicht wahr? So werden sie es nicht vermissen. Immerhin gibt es auch Dinge, die ich mir nicht leisten kann.«
»Scheinen nicht viele zu sein, nach meinen Kontoauszügen zu urteilen«, murmelte ihr Mann boshaft.
»Ich kann ja nächstes Mal barfuß in einem Sack erscheinen, wenn du deine Geschäftspartner beeindrucken willst«, konterte seine Frau hitzig, »außerdem, warum soll ich mich bescheiden, wenn du das Zeugs für dein blödes Auto zum Fenster hinausschaufelst?« Heiner lehnte sich vor. »Du missgönnst mir auch noch das einzige Hobby, das ich habe!«
»Hobby! Ein klappriger alter Mercedes, eng wie eine Konservendose, in dem es zieht wie Hechtsuppe - und du solltest mal sehen, wie er sich anstellt, wenn der mal einen Regentropfen abkriegt. Der lässt glatt mich im Regen stehen und hält den Schirm über seinen geliebten Oldtimer!«
»Der ist ja auch eine ordentliche Investition. Je älter der wird, desto höher ist der Wiederverkaufswert, was man von dir ja nicht behaupten kann!«
»Wenn ihr jetzt gleich wieder türknallend aus dem Lokal rennt, kündige ich euch die Freundschaft!«, drohte Henrietta, »erinnert ihr euch? Eigentlich wolltet ihr euch mit mir streiten!« »Entschuldige«, murrte Ingrid. Sie trank ihr Weinglas leer und hielt es lan zum Nachschenken hin. »Also erkläre mir, warum die
Weitere Kostenlose Bücher