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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Treppe zu den Waschräumen hinauf. Aus dem Spiegel im Waschraum starrte ihr ein käsig-blasses Gesicht mit hektischen roten Flecken entgegen. Automatisch begann sie, ihr Make-up zu reparieren. Das half stets, ihre innere Erregung zum Abklingen zu bringen. Als sie zurück an den Tisch kam, saß die Maske wieder perfekt.
    »Deine Ansichten sind wirklich reichlich extrem, kein Wunder, dass du dauernd aneckst.« Monikas Rücken war steif, ihr Ton spitz, »Bist du sicher, dass du nicht vor etwas davonläufst?« Sie fuhr getroffen zusammen. Weglaufen! Vor vielen Jahren in Südafrika einmal hatte ihr ein böser, alter Mann dasselbe vorgeworfen, und damals zumindest stimmte es. Sie war aus Deutschland weggelaufen, aber da meinte sie genau zu wissen, was sie wollte, sah ihr Ziel klar vor sich, ging in gerader Linie darauf zu. Doch die Zeit schritt unaufhörlich fort, und nie schien sie dem Ziel näher zu kommen. Blickte sie zurück über die Landschaft ihres Lebens, war es das, was sie sah, sich selbst, einen Berg hinaufsteigend, erwartungsvoll mit gespannter Ungeduld, sicher, dass sie von der Kuppe aus alles sehen würde, was sie suchte. Aber stets traf ihr Blick wieder einen Berg, der ihr die Sicht versperrte. Verbissen kletterte sie weiter, nicht zulassend, hinter dem nächsten Berg etwas anderes zu erwarten als die Erfüllung ihres Lebenstraums.
    Berthold Kaisers Brillengläser blinkten. »Du rennst, solange ich dich kenne, bist auf dem Weg weg von hier woandershin - du läufst vor dir selbst davon.
    Stell dich doch endlich mal den Tatsachen! Was suchst du eigentlich?«
    »Und wie meinst du das?« lans Schultern schienen plötzlich breiter zu werden.
    Sie legte schnell ihre Hand auf seine. »Nicht, bitte«, flüsterte sie hastig und verhinderte zum zweiten Mal eine Explosion. Ändert sich im-138
    Pier das Wesen meines Traums? fragte sie sich, bin ich verdammt, immer zu suchen? Will ich wirklich nur immer weg, woandershin, wo es schöner ist? Als sie Berthold antwortete, sprach sie mehr zu sich selbst. »Einmal bin ich angekommen, und da war es gut, ich hatte mein Ziel erreicht. Mein Suchen hatte ein Ende«, sagte sie und stand wieder am Saum eines Meeres, das keine Grenze hatte, das überging in ein unendliches Strahlen, Lachen hörte sie, Stimmen, die ihren Namen riefen, und im Hintergrund die Sinfonie Afrikas. »Du hast doch Psychologie studiert, Moni...«
    »Nur eineinhalb Semester«, berichtigte Berthold spöttisch und fing sich einen wütenden Blick von Monika ein.
    Sie überging die Bemerkung. »Ich bin im Paradies geboren, ich will euch nicht schon wieder damit langweilen, ihr habt es oft genug gehört ...«
    »Allerdings!« Monika verdrehte die Augen. »Der Ort, an dem es nie kalt wird, immer die Sonne scheint und die Blumen das ganze Jahr blühen«, leierte sie herunter, »kennen wir.« Bei jedem Wort stieß sie ein Zigarettenrauchwölkchen aus.
    Sie lächelte. »Du sagst es! Nun, da wird also dieses kleine Mädchen in Afrika geboren, wird verhätschelt und geliebt, von den schwarzen Menschen und den weißen. Es gibt keine Geräusche um sie herum, die lauter sind als Menschenstimmen, Meeresrauschen und friedliches Vogelgezwitscher. Dann landet dieses kleine Mädchen in einer ganz anderen Welt, die kalt und dunkel war und laut, in der die Nächte von Sirenengeheul und Angst, die Tage von hetzenden Menschen und Straßenlärm erfüllt waren. Zum ersten Mal fühlte das kleine Mädchen Kälte, konnte nicht verstehen, warum sie nichts zu essen bekam, wenn sie Hunger hatte. Sie konnte dem Lärm und der Angst der Erwachsenen, die sie umgeben, nicht entgehen, wusste nicht, was Krieg bedeutete, verkroch sich immer mehr in sich selbst, und seitdem ist sie auf der Suche nach ihrem verlorenen Paradies.« Ihre Stimme gewann an Kraft. »Mein Ziel hat sich nicht verändert, es wird sich nie ändern. Ich werde weitersuchen, bis ich es gefunden habe.«
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    »Dein Afrika.« In Ingrids Stimme schwang ein Anflug von Verständnis. »Ich wünschte, ich würde verstehen, was dich dorthin zieht. Ehrlich gesagt, ich wünschte, es gäbe etwas, nach dem ich mich so sehnen würde.«
    »Afrika, ja«, nickte Henrietta, »da erkenne ich mich.« Ihre Hände führten schon wieder ein Eigenleben, zerstörten die Serviettenrose, fältelten, knautschten den rosa Stoff. »Es ist eigentlich ganz einfach. Die Ostfriesen definieren Heimat als dort, wo ich nie wieder wegwill. Das sagt doch alles! Du weißt, wovon ich rede, nicht?« Sie forschte in

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