Ins Leben zurückgerufen
diese Bemerkung überraschte ihn. Der alte Politiker Partridge erwiderte vermittelnd: »Mr. Pascoe hat nicht angerufen, sondern ist persönlich gekommen, damit ich sein Buch signieren kann. War das nicht nett von ihm? Ich fühle mich sehr geschmeichelt. Wie lautet Ihr Vorname, Mr. Pascoe?«
Er nahm das Buch und schlug es beim Titelblatt auf, den Stift in der Hand.
»Peter.« Pascoe dachte, daß sich Dalziel wahrscheinlich nicht von seinen Fragen nach Lord Partridges Nacht mit Elsbeth hätte abbringen lassen, obwohl oder gerade weil Lady Jessica anwesend war. Aber jeder kämpfte auf seine Art. Er sagte: »Während des Prozesses waren Sie nicht im Land, glaube ich, Lady Partridge. Aber vermutlich haben Sie ihn in den Medien verfolgt?«
»Ich glaube nicht, daß wir damals schon Medien hatten, oder was würdest du sagen, meine Liebe?« scherzte Partridge, doch seine Frau erwiderte grimmig: »Warum gehen Sie davon aus?«
»Weil Sie persönlich in den Fall verwickelt waren«, erwiderte Pascoe. »Eine Freundin war ermordet worden. Ein Freund angeklagt. Es wäre nur zu normal, wenn Sie den Fall in der Zeitung verfolgt hätten. Oder falls nicht, haben Sie und Ihr Gemahl doch mit Sicherheit in Ihrer Korrespondenz darauf Bezug genommen?«
»Er war kein Freund. Und sie war keine Freundin«, sagte Lady Partridge. »Hat es etwas auf sich mit dieser Befragung?«
»Ich fragte mich nur, ob Sie oder Lord Partridge wegen des Urteils irgendwelche Zweifel hatten oder Vorbehalte ob der Ermittlungen.«
Partridge öffnete den Mund, doch seine Frau war schneller.
»Nein. Ich fand, die Polizei verhielt sich sehr korrekt, um nicht zu sagen rücksichtsvoll. In jenen Tagen kannte die Polizei noch ihren Platz. Und was das Urteil betrifft, ich habe damals ebensowenig Veranlassung gesehen, es in Frage zu stellen, wie heute. Mickledore war ein Verschwender, und das Mädchen war eindeutig labil.«
»Nun aber langsam, meine Liebe, de mortuis …«
»Diese Kohler ist nicht tot, Thomas, sondern läuft frei herum, weil irgendwelche hohen Tiere die Hosen voll haben!«
Pascoe war so fasziniert, daß er eine Provokation wagte.
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie gegen die Entscheidung des Innenministeriums sind?«
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ich vermute, das soll eine wenig subtile Anspielung auf die Tatsache sein, daß mein Sohn kürzlich befördert wurde. Seien Sie unbesorgt, seine Zeit wird kommen. Doch bis es soweit ist, muß dieser Bande von Verkäufern und Internatsabsolventen Gelegenheit gegeben werden, sich zu blamieren, damit die anständigen Leute sich von ihrer Drittklassigkeit überzeugen können. Nur dann erleben wir vielleicht eines Tages, daß unsere Fahne wieder weht und nicht um die Eier von Kretins gewickelt ist, die vor Fußballstadien randalieren!«
Pascoe ließ nicht locker. »Aber das neue Beweismaterial, das Miss Marsh …«
»Marsh? Was hat die denn damit zu tun?«
»Ihre Aussage über das Blut hat dazu beigetragen, daß der Innenminister Kohler freigelassen hat. Als ich vorhin mit ihr sprach, ließ sie anklingen, daß sie schon während des Prozesses ihren Mund aufgemacht hätte, wenn ihr die Tragweite der Sache klar gewesen wäre. Es ist ja verständlich, daß sie, beschäftigt wie sie war und Tausende von Meilen weit entfernt, nicht auf dem neuesten Stand war. Aber Sie, gnädige Frau, und Sie, Sir …«
Ein Knall wie ein Schuß ertönte. Jessica Partridge hatte sich mit der Reitgerte auf den Stiefel geschlagen, was Pascoe bisher nur in Sexfilmen erlebt hatte.
»Ich habe wahrlich Besseres zu tun, als hier herumzustehen und mich über meine ungehobelten Domestiken ausfragen zu lassen, insbesondere über diese Marsh«, rief sie.
»Sie spricht mit großer Zuneigung von Ihrer Familie«, sagte Pascoe.
»Ach ja? Das überrascht mich aber. Ich habe das letzte Mal mit ihr gesprochen, als ich sie entlassen habe, weil sie nichts getaugt hat und ein freches Mundwerk hatte«, sagte Lady Partridge. »Thomas, ich dusche vor dem Mittagessen. Mr. Pascoe, ich wünsche Ihnen einen guten Tag. Ich werde Sie ja wohl kaum wiedersehen.«
Sie verließ das Zimmer in ihren Reitstiefeln mit gespreizten Füßen. Ihre Hüften in den Reithosen schwangen wie bei einem Kentauren. Verdutzt sah Pascoe Lord Partridge an und wartete, ob er dem herrschaftlichen Gebaren seiner Frau folgen würde oder ob sich der Politiker behaupten würde.
»Noch ein wenig Kakao, Mr. Pascoe? Nein? Ich denke, ich genehmige mir noch einen
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