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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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damals noch ein ganz junger Polizist – derjenige, der Ihnen die dicken Pfefferminzkugeln gegeben hat.«
    Der Aufzug kam zum Stillstand, und sie betraten einen diskret beleuchteten, mit einem dicken Teppich ausgelegten Korridor. Seine Begleiterin sah ihn stirnrunzelnd an.
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Das ist schon lange her. Ich war noch ein Kind.«
    »Ihr Bruder konnte sich sehr gut an alles erinnern, als der Groschen erst einmal gefallen war.«
    »Mein Bruder verdient sich seinen Lebensunterhalt mit dem Erfinden von Geschichten«, erwiderte sie. »Möchten Sie vielleicht eine Tasse Kaffee?«
    Sie hatten einen Raum betreten, den man für ein elegantes Wohnzimmer hätte halten können, hätte da nicht auf dem Rosenholzschreibtisch ein Computerterminal gestanden.
    »Nein, danke«, sagte Dalziel und setzte sich behutsam auf einen Stuhl, der nach seiner Erfahrung mit kostbaren Antiquitäten verdächtig nach Holzwürmern aussah. Der Stuhl seufzte, hielt seinem Gewicht jedoch stand. »Aber ich könnte vielleicht einen Scotch vertragen.«
    Eine Frau von geringerem Format hätte vielleicht einen Blick auf ihre Armbanduhr geworfen, doch Wendy Stamper holte anstandslos eine Karaffe und füllte ihm großzügig das Glas mit einem hochprozentigen Whisky von bester Qualität. Er ließ ihn auf der Zunge zergehen, doch es gelang ihm nicht, die Marke zu erkennen.
    »Was ist denn das Gutes?«
    »Glencora«, erwiderte sie. Er hatte noch nie davon gehört, und sie fuhr fort: »Eine sehr kleine Firma, und ein gut Teil der Produktion wird exportiert.«
    Das erklärte, warum er so stark war. Er hatte irgendwo gelesen, daß die Amis ihren Schnaps hochprozentig bevorzugen, weil sie ihn mischen. Auf den Glencora angewendet, war das, als würde man frischen Lachs zu Fischstäbchen verarbeiten.
    Er sagte: »Sie verstehen sich also nicht mit Ihrem Bruder?«
    »Hat er das gesagt?«
    »Nein, aber das ist doch logisch. Sie arbeiten hier, und er hat nichts mit seinem Vater am Hut.«
    »Man kann verschiedener Meinung sein, ohne sich gleich die Augen auszuhacken«, sagte sie.
    »Ach ja? Selbst wenn er seinen Vater für eine Nullnummer hält, die seine Frau wie ein Stück Scheiße behandelt hat?«
    Sie ließ sich nicht provozieren, sondern schaffte es sogar, ein wenig zu lächeln.
    »Ich glaube, ich erinnere mich jetzt an Sie. Ich vermute, daß Sie mit meinem Vater über den Fall auf Mickledore Hall sprechen wollen? Weil die Frau entlassen wurde?«
    »Mochten Sie denn Cissy Kohler nicht?«
    Sie dachte nach und sagte dann widerstrebend: »Doch, ich glaube, ich mochte sie ganz gern.«
    Aber du willst sie nicht mögen, dachte Dalziel.
    Er sagte: »Sind Sie noch immer der Meinung, daß sie es war?«
    Sie erwiderte: »Wer denn sonst?« Doch es klang wie eine echte Frage und nicht wie die rhetorische Bestätigung, die sie wahrscheinlich im Sinn gehabt hatte.
    Ein Summer ertönte auf ihrem Schreibtisch. Sie nahm den Hörer auf, lauschte und sagte dann: »In Ordnung«, und legte den Hörer wieder hin.
    »Er hat jetzt Zeit für Sie«, sagte sie zu Dalziel. »Hier entlang, bitte.«
    Wenn das Büro der Tochter das Wohnzimmer einer Regency-Dame war, dann war das väterliche das Studierzimmer eines viktorianischen Gentleman. Stamper stand auf, kam hinter seinem riesigen Schreibtisch hervor und begrüßte Dalziel mit ausgestreckter Hand.
    »Treten Sie näher, Mr. Dalziel. Es ist schon lange her, daß wir uns kennengelernt haben. Sie waren damals nur ein kleiner Polizist. Sie haben es weit gebracht. Glückwunsch.«
    »Was Sie geleistet haben, kann sich aber auch sehen lassen, Sir Arthur«, sagte Dalziel leicht verblüfft, daß er so ohne weiteres erkannt worden war. Aber warum auch nicht. Auch Stamper sah kaum anders aus als damals, wenn man von den Geheimratsecken absah. Und wenn sein Auftreten früher noch nicht in jeder Hinsicht formvollendet gewesen war, dann waren diese kleinen Unebenheiten schon längst geglättet.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« fragte er. »Ich habe da einen Whisky, über den würde ich gern Ihre Meinung hören …«
    »Den Glencora meinen Sie? Ich habe ihn probiert und sage nicht nein zur zweiten Hälfte.«
    Er versank in einem Ledersofa, das groß genug für eine kleine Orgie gewesen wäre, und fuhr fort: »Ich muß schon sagen, Sie haben ein paar ganz nette Stücke hier herumstehen.«
    Es war ein Test. Gentlemen brüsten sich nicht mit ihrem Besitz. Wer gebürtig aus Yorkshire war und sich nach oben gearbeitet hatte,

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