Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
sagt: ›Ich war daheim im Bett und habe ein Buch gelesen. Ich kann sechs Zeugen bringen, die das bestätigen.‹«
    Pflichtschuldiges Kichern. Vielleicht liegt es daran, wie ich es erzähle, dachte Peter Pascoe.
    Er betrachtete die 20 Gesichter vor sich. Kinder der siebziger Jahre. Jugendliche der Achtziger. Gesetzeshüter der Neunziger. Der Herr möge ihnen beistehen.
    Er fragte freundlich: »Wer war Präsident Kennedy?« Pause. Sie senkten die Blicke, damit er sie nicht auffangen konnte. Vereinfache die Frage. »Von welchem Land war er der Präsident?«
    Unsicher kroch eine Hand in die Höhe.
    »Amerika, Sir?«
    »Das ist richtig. Nord- oder Südamerika?«
    Die Ironie von Vorgesetzten ist unfair, weil man sie wörtlich nehmen muß.
    Er machte schnell weiter, bevor sich jemand an einer Antwort versuchte. »Was ist mit ihm passiert? Nun, das habe ich bereits gesagt. Er wurde erschossen. Weiß jemand, in welchem Jahr das war?«
    Sie wußten wahrscheinlich noch nicht einmal das gegenwärtige Jahr! Nein. Das war ungerecht. Er verwechselte die Wahrheit mit einer Binsenwahrheit.
Jeder erinnert sich daran, was er gerade tat, als Kennedy ermordet wurde.
Jeder bis auf die paar Milliarden, die noch nicht geboren waren. Oder nichts von Kennedys Existenz wußten. Oder einen feuchten Dreck dafür gaben, daß alles vorbei war. Also jeder in Amerika? Vielleicht. Wahrscheinlich hämmerte man denen dort Datum und Drum und Dran beim Treueschwur ein. Doch diese hier, warum erwartete er, daß sie etwas über die Mythen eines anderen Volkes wußten?
    »War es 1963, Sir?«
    »Ja. Ja, das stimmt.«
    Er sah den Sprecher mit unverhältnismäßig großer Freude an. Noch jemand meldete sich ungeduldig. Vielleicht waren nun die Schleusen geöffnet, und all seine zynischen Zweifel über die Unwissenheit dieser Generation würden hinweggeschwemmt werden. Er deutete auf den ungeduldigen Melder, nickte und wartete darauf, überrascht zu werden.
    »Sir, es ist halb. Wir müssen in die Turnhalle zu Sergeant Rigg.«
    Er kannte Sergeant Rigg. Ein Waliser ohne Hals, der den schwarzen Gürtel hatte und nicht viel Federlesen mit zu spät Kommenden machte.
    »Dann macht ihr euch besser auf den Weg.«
    Er warf einen Blick auf seine Aufzeichnungen. Er hatte noch drei Seiten. Bevor sie weggefahren war, hatte Ellie ihn ermahnt, keine Nachtschichten einzulegen. (Hatte sie versucht, ihm seelsorgerischen Ersatz für seltenere emotionale Waren anzubieten?) Er schob den geschmacklosen Gedanken zur Seite und konzentrierte sich auf das, was sie gesagt hatte.
    »Man denkt anfangs, wenn man langsam spricht, kann man fünf Minuten rausschinden. Am Ende redet man so schnell, daß man unverständlich ist, und selbst dann hat man zu guter Letzt noch Eimer voll Perlen übrig, die man nicht losgeworden ist.«
    Er schüttete sie zurück in seine Aktentasche und folgte den Kadetten aus dem Raum.
    »Pete, wie ist es gelaufen?«
    Es war Jack Bridger, der grauhaarige Chief Inspector, der für den Nachwuchs verantwortlich war.
    »So lala. Sehr begeistert waren sie nicht.«
    Bridger, der seine Pappenheimer kannte, sagte: »Du hast es mit ganz gewöhnlichen Jungs zu tun, nicht mit Hochschulabsolventen. In dem Alter haben die nichts andres im Kopf als Ficken und Fußball. Das Geheimnis besteht darin, die richtigen Fragen zu stellen. Was mich an etwas erinnert, es sieht so aus, als würden bald ein paar merkwürdige Fragen zu diesem Mickledore-Fall gestellt werden.«
    »Die Sache läuft schon. Volle Ermittlungen. Ein Typ namens Hiller wurde damit betraut. Er ist stellvertretender Polizeipräsident von South Thames. Ist gestern aufgetaucht, obwohl die offizielle Bekanntgabe noch gar nicht erfolgt ist.«
    »Hiller? Doch nicht etwa Adolf Hiller?«
    Er sprach den Namen mit einem langen A aus.
    »Er heißt Geoffrey, glaube ich. Ein kleiner Kerl mit schiefen Zähnen. Sieht aus, als hätte er seinen Anzug geklaut.«
    »Das ist er! Adolf war nur sein Spitzname. Hier war er Sergeant, aber nicht lange. Wally Tallantire fand ihn zu militärisch. So ist er auch zu seinem Spitznamen gekommen. Irgendein Witzbold hat seinen Namen auf Anschlägen und Listen zu
Hitler
verändert, und das ist dann hängengeblieben.«
    »Aber während des Mickledore-Falles kann er doch noch nicht hier gewesen sein, sonst hätte er den Job mit Sicherheit nicht bekommen.«
    »Nein, er kam danach. Man hat ihn weitergereicht wie eine heiße Kartoffel. Er war so ein Typ – an seiner Arbeit war nichts auszusetzen, aber er

Weitere Kostenlose Bücher