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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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waren dabei?»
    Sam schüttelte den Kopf. «Ich hab’s aber gehört», sagte er. «Das hat mich noch mal gründlich über das Land der Freien nachdenken lassen.»
    «So was gibt’s nicht.»
    Sam sah Blackburn an. «Sie sollten vorsichtig sein», sagte er. «Vielleicht sollten Sie eine Sicherheitskette an der Tür anbringen. Als ich gekommen bin, hat Jean mich einfach reingelassen, keine großen Fragen gestellt.»
    Blackburn sah zu seiner Frau hinüber. «Ja», sagte er. «Wir werden drüber reden. Aber ich glaube eigentlich nicht, daß Graham uns umbringen wird.»
    «Das hat Deacon euch nicht geglaubt», sagte Sam. «Oder Bright. Ihre Überzeugungen haben ihnen auch nicht sehr geholfen, am Leben zu bleiben.»
     
    Sie verstehen das nicht! Scheiße, hatte Sam ihr sagen wollen, du hörst dich wie das beschissene Klischee von einer Ehefrau an. Drei Leute leben noch in diesem Fall, und zwei davon sind freiwillige Zombies. Wenn Graham East, oder wer auch immer für diese Morde verantwortlich ist, herausfindet, wo die Blackburns wohnen, muß er lediglich eine tiefe Stimme annehmen. Wenn er überzeugend genug klingt, bringen die sich sogar selbst um. Hier spricht Barry. Hört zu. Ich möchte, daß ihr euch ins Auge stecht. O ja, sicher, Barry, klar doch, irgendeine bestimmte Stelle?
    Eine Sache, die Jean Blackburn gesagt hatte, war es wert, ihr weiter nachzugehen. «Als die Hausgemeinschaft auseinanderlief», sagte sie, «haben wir einen anderen Weg gefunden.» Auf welchem Weg hatte sich die Hausgemeinschaft befunden? Terry Deacon war Buddhist gewesen, und die zwei hier waren auf irgendeine New Age-Kiste abgefahren. Es bestand die Möglichkeit, daß die Morde irgendwas mit Sekten zu tun hatten. Was, wenn Graham East ein verschmähter Guru war? Wollte sich an seinen entfremdeten Jüngern rächen?
    Jede Spur, sagte sich Sam, jede Spur ist es wert, verfolgt zu werden.
    Der Volvo ließ sich traumhaft fahren. Ein leichter Druck aufs Pedal, und er segelte nur so an dem Reisebus mit Touristen vorbei, der vor ihm fuhr. Sechzig oder siebzig gelangweilte Deutsche sahen ihn überholen, waren unterwegs zu einem mittelalterlichen Fort. Es würde ganz schön schwer werden, wieder auf den Cortina umzusteigen, nachdem er diese Bestie gefahren hatte. Allein schon hinter dem Lenkrad zu sitzen war alles, worum es beim Leben für den Augenblick ging.
    Menschen leben in solch unmöglichen Träumen. Für den Augenblick leben, es ablehnen, sich der Vergangenheit zu stellen, das Kredo eines jeden Gurus seit dem ersten Tag. Sam lebte im Augenblick, als er Donna zum ersten Mal begegnete. Donna stand am oberen Ende einer Rolltreppe, Donna kam herunter, ging herunter und wurde gleichzeitig heruntergetragen. Donna dünn, Donna schwanger, Donna tot. Sam lebte in Augenblicken, wenn jeder Augenblick, den er je erlebt hatte, sich in den augenblicklichen Augenblick drängte. Zwölf Jahre alt, an einem Baum hängend. Dreißig Jahre alt, an einer Flasche hängend. Sam sah eine Million Sams aus allen möglichen Lebensabschnitten sich in denselben Augenblick zwängen. Er konnte sich lachen sehen, bis er glaubte, er würde platzen; vor Schmerz und Fassungslosigkeit schreien über die blinde Absolutheit des Schicksals; knurren wie ein in die Enge getriebenes Tier und mit Kopf und Faust angreifen; vor Freude weinen bei der Berührung durch die Hand seiner Tochter. Eine Perversion des Schicksals. Und das alles in einem Augenblick. Die Heftigkeit des Augenblicks.
    Sam würde Menschen wie Jean Blackburn in ihren Grundfesten erschüttern. Komm schon, Frau, Mann, beschissene Maschine, was immer du bist, mach deine sturen Augen auf und sehe. Dies ist nicht der Weg, du blödes Arschloch, dies ist eine Sackgasse.
     
    Ein kurzer Anruf in der Werkstatt bestätigte, daß der Cortina seine letzte Reise angetreten war. Noch etwas, woran er sich gewöhnen mußte.
    Celia Allison war untröstlich, weil sie Sam keine Kekse anbieten konnte. «Celia», sagte er, «ich mag keine Kekse. Die Ingwerplätzchen zum Tee mochte ich, weil wir sie getunkt haben und weil mich das an meine Kindheit erinnert hat. Ich will aber nicht jedesmal an meine Kindheit erinnert werden, wenn ich herkomme. Okay. Können wir das Thema damit abschließen?»
    Sie gab ihm einen Vorrat Visitenkarten für die Brieftasche: Sam Turner Detektei. Und zeigte ihm das passende Briefpapier, das sie entworfen hatte.
    «Ich habe etwa der Hälfte der Leute geantwortet, die geschrieben haben», sagte sie. «Und ich habe

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