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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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schaute sie zu ihm auf. Sam dachte, sie würde vielleicht etwas sagen, oder vielleicht erwartete sie auch, daß er etwas sagte. Als das nächste Stück anfing, sah sie ihn weiter an. Sam erwiderte den Blick. Der Song trat in den Hintergrund. Sam war froh, ihn gehen zu sehen, er erinnerte ihn nur an Brenda.
    Jane sagte nichts und sagte alles. Sam hoffte, sie würde es bis zum Ende durchziehen, zu ihm herüberkommen oder vielleicht auf das Sofa neben sich klopfen, ihn zu sich einladen. Sie sah ihn einfach nur weiter an. Suchte sie vielleicht nach einem Hinweis, daß er voranging? Den ersten Schritt unternahm?
    Heute abend wollte Sam geführt werden. Keiner von ihnen rührte sich, und allmählich traten die Songs des Albums wieder in den Vordergrund, bildeten eine Barriere und eine Brücke zwischen ihnen. Eine Barriere, die keiner versuchte zu überwinden, eine Brücke, die keiner benutzen würde.
    Go away from my window, leave at your... Sie nickte, schloß die Augen bis zum Ende des letzten Stücks. Als das Band stehenblieb, war sie eingeschlafen, ihr Kopf nach links weggesackt.
     
    Verschmolz wieder mit der Nacht. Das grüne Seidendings war ein Schlafanzug mit weiten Hosen wie bei einem Hosenrock. Einer ihrer » hinten offenen Hausschuhe war heruntergerutscht, der linke. Sie trug keinen Ehering mehr. Sam ließ sie schlafen, während er Sandwiches für den Geordie und seinen Hund machte. Dann weckte er sie, berührte sanft ihre Schulter, schüttelte sie leicht.
    «Es ist Viertel nach zwei», sagte er. «Gus wird bald hier sein.»
    Ein paar Sekunden war sie verwirrt. «Die Musik», sagte sie. «Ich muß eingenickt sein.»
    «Sie werden jetzt schlafen», sagte er. «Gehen Sie einfach ins Bett.»
    An der Tür drehte sie sich zu einem letzten Blick um. «Gute Nacht.» 1
    «Schlafen Sie gut», sagte Sam.
     
    Der Geordie und Barney lagen ausgestreckt auf dem Boden, waren aber hellwach. Sam legte die Sandwiches hin und sah ihnen in die Augen. «Schinken und Pickles, kalter Braten mit Gürkchen, Käse und Chutney», sagte er und artikulierte sorgfältig jedes Wort. «Vier Schoko-Kekse, zwei für jeden. Okay.»
    Der Geordie lächelte beinahe.
    «Bist du absolut sicher, daß du keinen Job willst?» fragte Sam. «Dir ein bißchen Geld verdienen, damit du dir deine eigenen Scheißsandwiches machen kannst?» Er kramte in seiner Tasche und fand zwei Pfundmünzen. Legte sie auf das Päckchen mit den Sandwiches.
    Er kehrte in die Wohnung zurück und schloß auf. Das Apartment oben war immer noch frei. Auf der Fußmatte ein Zettel von Wanda. «Bitte, ruf mich an. Ich werde dich nicht bedrängen.»
    Sam steckte den Zettel in die Tasche, zog sich aus und ging ins Bett. Kalter Braten mit Gürkchen, um Himmels willen. Kann man so was essen?
    Er schlief ein und träumte von grünen Seidenhosenröcken. Warmen.
     



Kapitel 28
     
    «Mach schon, du kannst hier nicht schlafen!» Geordie spürte, wie jemand gegen seinen Fuß trat.
    Derselbe Bulle wie letzte Nacht und die Nacht davor. Er rappelte sich auf und klemmte Barney unter den Arm. «Laß keinen Müll hier liegen», sagte der Bulle.
    Geordie hob das Päckchen Sandwiches auf, das der Typ dagelassen hatte, und ging weiter. «Laß dich hier nicht noch mal von mir erwischen», rief ihm der Bulle nach.
    Die nächste Stelle war unten am Fluß, durch ein Loch im Zaun und in den Park. Ein bißchen kälter als das Coppergate Centre. Er packte die Sandwiches aus und ließ Barney für seinen Teil Männchen machen. Der kleine Hund setzte sich auf die Hinterläufe, die Zunge hing heraus. Eines Tages war der Hund Geordie gefolgt. Lief ihm einfach überallhin nach. Ein heimatloser Hund. Willkommen im Club.
    Sie ließen sich auf den Stufen des Film Theatre nieder, aber es Wurde langsam hell, und Geordie konnte nicht einschlafen. Der Typ machte gute Sandwiches, die besten seit langem, wenn nicht überhaupt. Aber was wollte er? Niemand hatte Geordie jemals einen Job angeboten, niemand bis auf den Typ in Manchester, der Schläge auf den nackten Arsch haben wollte. Konnte man so was einen Job nennen? Zehn Eier für rote Striemen auf dem Arsch dieses Kerls. Andere Männer hatten Sex gewollt, und wenn Geordie hungrig genug war, hatte er auch das mitgemacht. Er hatte gesagt, er würde es nicht tun, als er aber drei Tage lang nichts zu essen gehabt hatte, sah er die Sache anders. Wenn man eine Weile nichts mehr aß, sah man eine Menge Dinge anders. Es gab nichts umsonst. Und das galt uneingeschränkt.

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