Insel der schwarzen Perlen
Pickelhaubenkaiser weltweit Krieg führen müssen! Schämst du dich nicht?«
Elisa schämte sich nicht. Aber auch sie musste für sich definieren, zu welchem Land und zu welcher Familie sie gehörte. Die Zeiten hatten sich verändert.
Es waren nicht die Erlebnisse in der Leprakolonie, die Elisa nach ihrer Rückkehr zum Washington Place bedrückten, sondern vielmehr ihre Versäumnisse in Honolulu. Obwohl sie fast jeden Monat einmal mit der Iwa gekommen war, bevor die Fahrten zu gefährlich wurden, hatte sie zu wenig Präsenz gezeigt. Amerika hatte Deutschland den Krieg erklärt, was jede Menge neue Probleme mit sich brachte. Einige davon waren unvermeidbar, wie zum Beispiel die Infragestellung aller Positionen der Deutschen auf Hawaii.
Einige von Elisas Landsleuten, wie zum Beispiel ihre Mutter Clementia mit ihrem Mann Fried, aber auch Johannes mit seiner neuen Familie, waren in dieser heiklen Zeit nicht auf Hawaii, sondern in Deutschland. Es hatte sich so ergeben.
Eines Tages stand auch Elisas Onkel Paul mit seiner fünfköpfigen Familie vor ihrer Tür. Die Familie von Paul Vogel war auf dem Weg von Kauai nach Deutschland, vorübergehend hatten sie ihre Plantage verpachtet.
»Es wird auf Kauai zu unsicher. Janson haben sie das Gouverneursamt abgesprochen, obwohl er die amerikanische Staatsbürgerschaft hat. Wir hingegen wollten nie Amerikaner werden ⦠Wir sind und bleiben Deutsche.«
Elisa erfuhr zwischen Tür und Angel, dass die Deutschen auf Kauai Bedenken hatten, ob ein Bleiben dort in Zukunft sicher wäre. Niemand wusste, wie lange dieser Krieg noch andauern würde. Die Deutschen hatten sich Feinde gemacht. Onkel Paul war einer der Ersten, der aus der politischen Entwicklung persönliche Konsequenzen zog.
»Dürfen wir kurz reinkommen, um uns auszuruhen?«
Ihr Onkel war inzwischen ein alter Mann. Elisa hatte ihn zum letzten Mal vor zwölf Jahren gesehen, bevor sie mit ihrer Familie von Kauai nach Honolulu zog. Jetzt ging er gebeugt und litt unter schwerem Asthma.
»Die verdammten Kriegsunruhen ⦠deswegen haben wir drei, vier oder sogar noch mehr Tage Aufenthalt in Honolulu. Als ich unsere Passage buchte, konnte keiner ahnen, dass Amerika schon im April gegen uns in den Krieg ziehen würde!«
Elisa ersparte sich einen Kommentar, denn ein wenig genoss sie diese peinliche Situation. Ihr Onkel sprach weiter, während die fünf Frauen seiner Familie wie verschüchterte Stockfische hinter ihm standen.
»In den Hotels von Honolulu werden bereits erste mutmaÃliche deutsche Spione festgenommen, so ein Schwachsinn! AuÃerdem sind sie überfüllt und teuer ⦠Hättest du vielleicht einen Unterschlupf für uns? Deine Tante ist müde und besorgt.«
Elisas Tante Katharina war häufig krank, wie Elisa über Johannes erfahren hatte. Ihr Versuch, Söhne zu gebären und groÃzuziehen, war gescheitert. Ihre Bitterkeit hatte Spuren von Grausamkeit um ihre Mundwinkel geätzt, und nur zwischen fest zusammengepressten Lippen brachte sie jetzt eine knappe BegrüÃung hervor, mehr nicht. Ihre einst elegante, wenn auch strenge Erscheinung war der einer übergewichtigen Matrone gewichen. Ihre Töchter, Elisas jüngere Cousinen, alle im heiratsfähigen Alter, wirkten vor allem verschreckt.
»Sie würden mit Ihrer Familie gerne bei uns nächtigen?«
Kelii trat neben Elisa an die Tür. Er war eine imposante Erscheinung, vor allem in Anzughose und weiÃem Hemd. Durch das entbehrungsreiche Leben hatte er auch in seinen Vierzigern einen drahtigen Körper, aber vor allem beeindruckte der offene Blick seiner Augen. Die Spuren der Krankheit waren nur für Eingeweihte sichtbar. Auf dem Arm trug er jetzt Hokulele, die inzwischen fünf Jahre alt war und ihm seit ihrer Rückkehr überallhin folgte. Onkel Paul war verdutzt.
»Wie kommt es ⦠Ich dachte ⦠es ist lange her.«
»Das ist es wohl, Herr Vogel. Das letzte Mal war mein Vater noch am Leben â¦Â«
Nicht das geringste Gefühl stand in den Augen von Elisas Mann, sie waren völlig unbeteiligt. Er lieà seinen Blick ruhig über die Töchter wandern, dann über Katharina, zuletzt über Paul, der sich sichtlich unwohl fühlte.
»Wer sind diese Leute, Pa?«
Wie ihre Mutter Okelani hatte Hokulele eine klangvolle, reine Stimme. Kelii wandte sich an Elisa.
»Möchtest du es unserer Tochter
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