Insel der sieben Sirenen
?«
Bradstone
und Lofting starrten mich beide grimmig an, um mir anzudeuten, daß sie beide
augenblicklich keinen Bedarf an Witzen hatten. Ich räusperte mich pflichtbewußt , und der alte Mann fuhr fort: »Natürlich
konnten wir die meisten von ihnen mit Leichtigkeit eliminieren. Am Ende blieben
noch zehn Mädchen übrig, bei denen eine vage Chance bestand. Im vergangenen
Monat schieden drei von ihnen dank der Bemühungen meiner Detektive ebenfalls
aus. Sieben blieben übrig .«
»Und
die sind jetzt auf der Insel ?« erkundigte ich mich
schlau.
Bradstone nickte gewichtig. »Ich wollte sie hier in der
Isolation einander gegenüberstellen, in der Hoffnung, daß dabei Einzelheiten
aus ihrem Leben ans Licht kämen, die sie bisher verschwiegen hatten .«
»Aber
wissen Sie denn so genau, daß nur sechs von ihnen lügen? Ich könnte mir
vorstellen, daß sich auch Ihre wirkliche Tochter nicht mehr an ihre Mutter
erinnert .«
»Sehr
wahrscheinlich«, pflichtete mir Bradstone bei.
»Zugegeben, keines der Mädchen behauptet, sich so genau an sie erinnern zu
können, daß sie zu identifizieren wäre. Aber sie wollen alle im Kleinkindalter,
nicht bereits als Babies , ins Waisenhaus gebracht
worden sein .«
»Und
Sie haben sich vergewissert, daß alle sieben tatsächlich in Sunnyvale waren ?«
»Nein,
Mr. Roberts, das habe ich nicht .« Bradstone griff mit
zitternder Hand nach einer Schublade und versuchte, sie aufzuziehen. Lofting
bückte sich schnell und tat es für ihn. Der Alte holte einige Papiere hervor.
»Hier
sind unsere Ermittlungsergebnisse über jedes einzelne der sieben Mädchen — ihr
Lebenslauf, soweit wir ihn zurückverfolgen konnten. Von vieren wissen wir
genau, daß sie in Sunnyvale waren: Robin, Phillipa , Raima und Cheryl. Bei ihnen konnten wir Pflegeeltern
ausfindig machen, welche diese Tatsache bezeugten. Bei den restlichen dreien — Yvonne,
Amanda und Andrea — sind wir nicht ganz sicher, vermuten aber, daß sie mindestens
vorübergehend in dem Heim lebten .«
Ich
griff nach dem Stoß von sieben Akten, von denen jede auf dem Umschlag einen
Namen in Großbuchstaben trug. Der Alte schien dankbar dafür, daß ich ihm diese
Bürde abnahm. Er ließ die Hände auf die Schreibunterlage sinken.
»Also
gut, ich werde das durcharbeiten. Aber was dann? Wenn schon Ihre Detektive
nicht imstande waren, Ihre Tochter unter diesen sieben herauszufinden, wie
sollte es dann mir gelingen? Außerdem bin ich Anwalt, nicht Detektiv .«
»Sehr
richtig«, nickte der Alte.
Ich
wartete, in der Hoffnung, er würde sich näher erklären. Aber das Schweigen
wurde schließlich peinlich, und deshalb fragte ich: »Damit wollen Sie wohl
sagen, daß ich vielleicht die eine oder andere beim Lügen ertappe, wenn ich sie
mit der Tatsache konfrontiere, daß ich bereits das Testament abfasse ?«
Der
alte Mann starrte mich so intensiv an wie ein Tyrann, der sich überlegt, ob
sein Sohn das Reich oder den Tod verdient. »Ich hoffe doch, daß ich auf Sie
rechnen kann, Mr. Roberts. Denn Sie sind wahrscheinlich meine letzte Hoffnung.
Wie Sie wohl bemerkt haben, stehe ich an der Schwelle des Todes. Und was ich
mir wünsche — mehr als ich mir je etwas im Leben gewünscht habe, mehr als ich
mir wünsche, mein Vermögen der richtigen zu vererben, was ja auch nach meinem
Tod noch sicherzustellen wäre — , wonach ich mich sehne, das ist, sie nur
einmal mit eigenen Augen zu sehen, sie in die Arme zu schließen, bevor ich
abtrete. Und dabei zu wissen, daß es mein eigen Fleisch und Blut ist.«
Er
senkte den Blick und schwieg einen Augenblick. Ich sah zu Lofting hoch und
entdeckte eine Spur von Mitleid in seinen Augen.
»Da
es mir bisher nicht geglückt ist, sie zu identifizieren, beschloß ich, Sie
hierher einzuladen und feststellen zu lassen, welche von den sieben lügen. Die
Mädchen wurden davon unterrichtet, daß Sie erwartet werden und zu entscheiden
haben, wer am Ende das Erbe erhält .«
»Was?«
Ich schoß kerzengerade in die Höhe. »Hören Sie mal, wie ich schon sagte, bin
ich Anwalt, kein agent provocateur !
«
»Und
ein ziemlich hoch bezahlter Anwalt, falls ich Sie daran erinnern darf, Mr.
Roberts. Sollte Ihnen das Honorar jedoch noch nicht hoch genug sein, können wir
ja nochmals darüber sprechen .«
Mir
behagte die Situation überhaupt nicht, und das mit dem Honorar war mir im
Grunde gleichgültig. Ach, zum Teufel, entschied ich. Da ich nun schon mal den
weiten Weg gemacht hatte, konnte ich ebensogut auch
mit den
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