Insel der Traumpfade Roman
beäugte, obwohl sie in München eine gute Schulbildung genossen und ihr Englisch nur einen leichten Akzent hatte. Eloise hatte sich gegen die versteckten Kränkungen und das hinterhältige Grinsen wappnen müssen; inzwischen war sie darin geübt, den kleinlichen Snobismus einiger Frauen zu ignorieren – ihrem Mann aber hatte sie nur wenig entgegenzusetzen.
Sie waren noch kein Jahr verheiratet, doch Edwards ständige Spitzen und sein diktatorisches Gehabe hatten bereits ihren Tribut gefordert. Trotzdem klammerte Eloise sich an die Hoffnung, dass sie sich nichts vorzuwerfen hatte. Schon in den ersten Wochen nach der Hochzeit war Edwards wahrer Charakter zutage getreten; er hatte nur noch wenig mit dem Mann gemein, der ihr den Hof gemacht hatte. Er war häufig abwesend, hatte etwas gegen die Besuche ihrer Familie, verlangte von ihr ein perfektes Auftreten und war zunehmend launisch und streitsüchtig.
Sie zog den Seidenschal fester um ihr Nachthemd, während sie sich an die euphorische Zeit seiner Brautwerbung erinnerte und sie mit einer Klarheit betrachtete, die man nur rückblickend gewinnen kann. Ihre Naivität war ihr Ruin gewesen, denn solche Versiertheit, wie Edward sie an den Tag legte, hatte sie bis dahin noch nie erlebt. Sie hatte sich nur allzu leicht von seinen tadellosen Manieren und seinem gewinnenden Wesen blenden lassen, ohne den Mann hinter der prächtigen Uniform und dem englischen Titel zu sehen, den er erben würde.
Mit leerem Blick starrte sie in die Flammen. Sie hätte ihren Instinkten folgen und sich seinem Werben entziehen sollen, nachdem er sie zum ersten Mal angesprochen hatte – damals hatte siehinter seinem blendenden Lächeln sofort etwas Dunkles gespürt. Doch gerade das hatte seiner Werbung die Würze verliehen, und sie war seinem Charme bereitwillig erlegen. Sie hatte geglaubt, sich verliebt zu haben. Doch Liebe war etwas, was sie von ihren Eltern kannte – sie wurde inniger, brachte Trost, Sicherheit und Freundschaft, ein Gefühl des Wohlergehens, das zwei Menschen verband und sie vor der Welt schützte.
Eloise musste sich wohl oder übel eingestehen, dass das, was sie in der euphorischen Zeit ihrer stürmischen Romanze erlebt hatte, nichts als Schwärmerei gewesen war. Sie hatte in einer Phantasiewelt gelebt und geglaubt, sie habe ihren Prinzen gefunden, mit dem sie bis ans Lebensende glücklich sein würde. Einige Wochen lang hatte es auch so ausgesehen, als könnten sich ihre Träume erfüllen, denn sie hatte im ersten Monat sein Kind empfangen.
Schwer seufzend nahm sie das schmerzliche Gefühl zur Kenntnis, versagt zu haben. Edwards Wärme und Aufmerksamkeit waren abgekühlt, seit sie durch ihre Schwangerschaft an Umfang zugenommen hatte und kraftlos geworden war. Nun bereitete sein Alkoholgenuss ihr Sorgen, und seine Laune war so unberechenbar, dass sie über seine längere Abwesenheit nur erleichtert war. Es war deutlich geworden, dass er sie nicht mehr liebte – und sie fragte sich, ob auch er die Heirat bereute.
Sie erhob sich und begann sich anzuziehen. Sie musste lernen, ebenso mit Edwards Krittelei zu leben wie mit der Tatsache, dass ihr Wohlbefinden ihm gleichgültig war. Die Würfel waren gefallen: Sie war bis an das Ende ihrer Tage an ihn gebunden, und sie konnte nur hoffen, dass sich seine Laune bessern würde, sobald das Kind geboren war. Nervös fummelte sie an den Bändern ihres Unterkleids herum und versuchte, den Gedanken zu verscheuchen, was geschehen würde, wenn es ein Mädchen würde.
Edward merkte, dass er zu spät zum Fest des Gouverneurs kam, doch es handelte sich um eine zwanglose Zusammenkunft, so dasskeine Eile geboten war. Seine schlechte Laune und seine Wut hatte die Hure in dem Zimmer über der Wirtschaft besänftigt. Seit Wochen war Eloise keine richtige Ehefrau gewesen – was konnte sie anderes von ihm erwarten?
Während sein Pferd die unbefestigte Straße entlangtrabte, atmete er die Düfte der Nacht ein, die so anders waren als die im Norden, und zog Bilanz über alles, was er seit seiner Rückkehr nach Sydney erreicht hatte. Seine Versetzung war früher aufgehoben worden, als er erwartet hatte. Im November 1796 war er mit seinen Männern im Hafen eingelaufen. Das Schiff, das sie nach Süden gebracht hatte, war genauso heruntergekommen und verwahrlost gewesen wie die Männer, die ihre Pferde ausluden und über die Geschäfte herfielen. Während seiner Abwesenheit hatte sich viel verändert. Mit dem Recht, nun über Schatzwechsel zu
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