Insel der Traumpfade Roman
sich auf den Sessel neben Eloise fallen. »Hast du auch gesehen, was ich gesehen habe?«
Eloise ergriff seine Hand. »Viele Menschen haben Muttermale«, sagte sie. »Das hat nichts zu bedeuten.«
George war nicht überzeugt. Das Muttermal in Form einer Träne an der Schläfe des Mädchens erinnerte zu sehr an die Cadwalladers – und dann noch die Ähnlichkeit mit seiner Mutter und seiner Schwester … Seine Gedanken überschlugen sich. »Glaubst du, dass meine Mutter mit Jonathan ein Kind hatte?«
Eloise tätschelte ihm den Arm. »Deine Phantasie geht mit dir durch, George. So eine war deine Mutter nicht – und wenn das Mädchen tatsächlich ein uneheliches Kind von Jonathan sein sollte, dann ist es wahrscheinlich das Beste, wenn es das gar nicht weiß. Im Übrigen«, fügte sie hinzu, »hat das Mädchen sehr dunkle, beinahe schwarze Haare, und deine Mutter ist blond. Ich könnte sogar wetten, dass es von irgendwo spanisches oder italienisches Blut hat.«
»Du hast recht«, sagte er, entschlossen, den lächerlichen Gedanken zu verbannen. »Es heißt, jeder Mensch hat einen Doppelgänger, und wenn dieses Mädchen wirklich mit den Penhalligans verwandt wäre, hätte die Familie es längst in ihren Schoß aufgenommen.«
»Damit hat sich das wohl erledigt.« Eloise beugte sich zu ihm und küsste ihn. »So, Mr Collinson, die Jungen sind noch mindestens eine Stunde draußen«, flüsterte sie. »Was meinst du, was wir mit der Zeit anfangen könnten?«
Er lächelte, und das Verlangen nach seiner schönen Frau verdrängte alle Gedanken. »Ich bin sicher, da fällt mir etwas ein.« Er hob sie auf die Arme und trug sie aus dem Raum die Treppe hinauf.
An ihrem letzten Tag in Cornwall wanderten George und Eloise über den Kiesstrand unterhalb hoch aufragender Granitklippen.
»Ich bin so froh, dass wir uns zu dieser Reise entschlossen haben«, keuchte Eloise, die gegen den Wind ankämpfte. »Die Jungen brauchten neue Horizonte, die ihnen helfen, sich von allem Vorgefallenen zu erholen, und unsere Rückkehr nach Australien wird nach einem solchen Abenteuer eine zufriedene Heimkehr sein.«
»Was hältst du denn nun von meinem Cornwall?«
»Es ist sehr schön«, antwortete sie und versuchte, mit ihm Schritt zu halten, »aber so kalt, selbst im Sommer.«
George steckte ihre Hand unter seinen Arm und zog ihr den dicken Schal fester um den Hals. »Es ist gut, dass wir über Winter in London sind.« Er lachte. »Dann ist es hier noch kälter.«
»Wie in Bayern?«, fragte sie.
Er lächelte auf sie hinab. »So weit im Westen haben wir nur selten Schnee, aber die Kälte ist viel feuchter als auf dem Kontinent, und der Wind ist grausam. Wir hier in Cornwall nennen das erfrischend.«
»Das dürfte untertrieben sein.« Sie zupfte an seinem Arm, und sie blieben stehen. »Sieh dir die Jungen an!«, sagte sie mit liebevoller Empörung. »Sie müssen völlig durchnässt sein.«
Harry und Oliver stapften um und durch die Gezeitentümpel, und George sah sich als Junge in dem Alter vor sich. Ihm wurdebewusst, wie sehr er die beiden inzwischen liebte. Sie hatten ihm so viel Freude geschenkt, und nun, da die Schatten der Vergangenheit sich auflösten, betrachteten sie ihn allmählich als ihren Vater.
Im Stillen schwor er sich, ein guter Vater zu sein. Ein liebevoller, ermutigender Vater, der sich die Zeit nehmen würde, zuzuhören und Ratschläge zu erteilen, wenn man ihn darum bäte, und der die Weisheit besäße zu schweigen, wenn sie allein zurechtkommen mussten.
»George? Du hängst schon wieder Tagträumen nach.«
»Ich habe mich nur über das gefreut, was mir beschert ist«, sagte er. Sie zitterte vor Kälte, und er merkte erst jetzt, dass sie seit mehr als zwei Stunden dem Wind ausgesetzt waren. »Komm, wir gehen zurück ins Gasthaus. Mir ist nach Teegebäck, Marmelade und dicker gelber Sahne.«
Sie stieß mit dem Finger an seinen Bauch. »Nicht zu viel Sahne. Ich will nicht, dass du aus dem Leim gehst.«
Er zog sie an sich. »Du hast gut reden. Ich habe deine Taille immer mit den Händen umfassen können – und jetzt schau sie dir an.«
»Wenigstens habe ich einen guten Grund, etwas dicker zu werden.« Sie kicherte.
»Seit wann sind Teegebäck und Sahne ein …« Er riss die Augen auf, und als sie zu ihm aufsah und lächelte, erhellte sich sein Gesicht vor Freude. »Ein Kind? Unser gemeinsames Kind?« Sie nickte, und er schloss sie in die Arme. »O Eloise«, seufzte er, »habe ich dir in letzter Zeit eigentlich schon
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