Insel der Traumpfade Roman
Frisierkommode. Sie wusste, dass sie blass und abgespannt war und ihre grünen Augen an Glanz verloren hatten. »So viel zum Aufblühen«, sagte sie mit leichtem Akzent, der ihre deutsche Herkunft ahnen ließ. »Ich sehe halb tot aus und fühle mich auch so.«
Edward Cadwalladers Lippen berührten flüchtig ihren Nacken. »Es dauert ja nicht mehr lange«, antwortete er, prüfte seine Erscheinung im Spiegel und putzte seinen Schnurrbart. »Unser Sohn macht sich nur bemerkbar.«
Er trat an den Kamin. »Wir wissen noch nicht, ob es ein Sohn ist«, erinnerte Eloise ihn.
»Alle Cadwalladers haben Söhne«, entgegnete er unwirsch. »Im Übrigen beeil dich, Eloise, der Gouverneur wartet nicht gern! Du bist immer noch im Nachthemd.«
»Geh ohne mich!«, bat sie. »Mir geht es nicht gut, und mein Zustand wird meine Abwesenheit erklären.«
»Selbstmitleid ist kaum eine Entschuldigung«, fuhr er sie an. »Zieh dich an!«
Eloise stellte sich ihm entgegen. »Ich habe keine Lust, am Fest des Gouverneurs teilzunehmen«, sagte sie. »Du wirst viel mehr Spaß daran haben, wenn ich hierbleibe.«
»Du bist meine Frau und wirst tun, was ich dir sage!«, schrie er.
Eloise ließ sich nicht einschüchtern. Ihr Vater, Baron Oskar von Eisner, hatte sie und ihre Schwestern angeschrien, seit sie denken konnte, und sie war solche Schikanen gewohnt, doch er hatte seinen Willen nie so unfreundlich durchgesetzt wie Edward.
»Ich trage dein Kind unter dem Herzen«, entgegnete sie ruhig. »Die Schwangerschaft war nicht leicht, und mir geht es nicht gut. Der Gouverneur wird den Grund für meine Abwesenheit verstehen.«
Er funkelte sie wütend an. »Mit dem Baron kannst du vielleicht in diesem Ton reden«, sagte er, »aber du wirst schon merken, dass ich Ungehorsam nicht dulden kann.«
Eloise blieb nach außen hin ruhig, doch das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sein Verhalten zeigte ihr, dass er tatsächlich ein ganz anderer Mann war als ihr Vater. »Es ist kein Ungehorsam, Edward«, sagte sie in einem Ton, mit dem sie ihn zu besänftigen hoffte. »Nur gesunder Menschenverstand. Sollte ich ohnmächtig werden odermich übergeben, wird es eine Szene geben, und ich bin sicher, dass du darauf verzichten kannst.«
Edward musterte sie. »Ich hätte wissen sollen, dass eine deutsche Frau für alles ein Argument hat.« Er schritt durch den Raum und öffnete die Tür. »Wir sprechen noch darüber, wenn ich zurückkomme. Ich erwarte von dir, dass du angezogen bist und im Wohnzimmer auf mich wartest, auch wenn es noch so spät wird.«
Er schlug die Tür zu, und Eloise fuhr zusammen.
Dann packte sie die Wut. Sie nahm ihre Haarbürste und warf sie mit voller Wucht gegen die Wand. Die Bürste schlug auf dem Boden auf, und Eloise sank auf ihren Frisierhocker. Langsam, aber sicher zermürbte Edward sie, und sie hatte Angst vor seiner Rückkehr, denn sie wusste, dann stand ein Wortgefecht bevor und ihr Kampfgeist ließ rasch nach.
Sie blieb in der Stille sitzen und lauschte den knackenden Geräuschen im Gebälk des Hauses, das sie am Stadtrand gemietet hatten. Es war klein und zugig, die Räume vollgestopft mit Säcken, Truhen und Kisten, die auf den Tag warteten, an dem ihr Haus in der Watsons Bay fertiggestellt war. Sie hätten ein paar Zimmer über dem Hotel ihres Vaters am Kai bewohnen können, doch Edward hatte das Angebot abgelehnt, und sie waren nach ihrer Hochzeit hier eingezogen.
Sie hatte das Gefühl, als rückten die Wände näher, je länger sich die Stille hinzog. Als das Kind sich regte, legte sie die Hände auf den Bauch und unterdrückte die Tränen, die ihr den letzten Rest Selbstvertrauen rauben würden. Sie sehnte sich nach der Gesellschaft ihrer Schwestern, nach ihrem gutherzigen Vater und nach dem Trost einer vertrauten Umgebung – nach mehr als der herablassenden Art ihres Mannes, der es an Mitgefühl fehlen ließ.
Ein Holzscheit rutschte auf dem Rost im Kamin, und Funken stoben in den Schornstein hinauf. Eloise sah in das schwelende Feuer und machte sich ihre Lage bewusst. Der Titel ihres Vaters bedeutete hier nur wenig; dass er am Anleger ein erfolgreiches Hotelgebaut hatte, machte ihn in dem rigiden Klassendenken dieses britischen Außenpostens, in dem Geschäftsleute schief angesehen wurden, nur noch mehr zum Außenseiter. Ihre Heirat mit dem Erben des Earl von Kernow hatte ihr in der Gesellschaft von Sydney zwar zu einem gewissen Ansehen verholfen, dennoch wusste sie, dass man sie in manchen Kreisen noch misstrauisch
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