Insel meiner Sehnsucht Roman
mündete ins Binnenmeer. Am Ufer wartete ein kleines Boot. Offensichtlich hatte Deilos seine Flucht sorgsam geplant.
So wahnsinnig der Verräter auch sein mochte, er erwies sich als hervorragender Stratege.
Jetzt oder nie, dachte Royce und eilte zu dem Schurken.
Deilos hatte den Angriff erwartet und war bereit. Grinsend hob er einen kleinen Tontopf hoch und schleudert ihn dem Xenos entgegen. »Stirb, Engländer! Stirb für die Prinzessin und Akora! Geh zu Grunde in den Flammen, die niemand löschen kann!«
Am Boden und entlang der Tunnelwände explodierte Griechisches Feuer. Mit einem gewaltigen Satz nach hinten brachte sich Royce in Sicherheit. Nur wenige Schritte trennten ihn von den Flammen, die auf ihn zu rasten. Trotzdem wich er nicht zurück. Vielleicht konnte er darüber springen. Der Versuch würde sich lohnen …
Doch sie loderten immer höher empor, erreichten die Decke des Tunnels, und schließlich blieb Royce nichts anderes übrig, als der sengenden Glut zu entfliehen. Durch das tanzende Feuer beobachtete er, wie ein lachender Deilos in das Boot stieg, das er in die schnelle Strömung des unterirdischen Flusses ruderte.
Kassandra hatte Royce unter dem Bühnenboden verschwinden sehen. Irgendwie hielt sie sich auf den Beinen, was sie überraschte und ein wenig beruhigte. Ihre Umgebung war scheinbar aus den Fugen geraten. Aber ihre Augen versagten ihr nicht den Dienst, und über dem Gezwitscher der Vögel hörte sie den fernen Lärm der Stadt und das Heulen des Windes – oder war es immer noch das Blut, das ihr in den Ohren rauschte, vom Rhythmus ihrer beschleunigten Herzschläge getrieben?
Zwischen ungläubigem Staunen und Angst verstrich die Zeit – genug Zeit, so dass ihre Sorge, zur Panik gesteigert, die innere Lähmung verscheuchte und grausige Fantasiebilder heraufbeschwor. Was geschah mit Royce? Wo war er? In welchen Gefahren mochte er schweben?
Qualvoll krampfte sich ihre Kehle zusammen, doch sie spürte es kaum. Sie konnte nur in die dunkle Grube starren und beten, er möge unversehrt zu ihr zurückkehren. Daran glaubte sie mit der ganzen Kraft ihres Herzens. Aber als sich etwas in den unterirdischen Schatten bewegte und die ersehnte, geliebte Gestalt auftauchte, konnte sie kaum fassen, dass der Himmel ihre Gebete erhört hatte.
Verblassender Sonnenschein beleuchtete seine blonden Haare, die gebräunte nackte Brust, vergoldete ihn wie einen antiken Gott. Mit langen Schritten ging er zu ihr und steckte sein Schwert in die Scheide, ohne sie aus den Augen zu lassen. Dann umklammerte er ihren Arm, nicht unsanft oder gar grausam – trotzdem spürte sie seine Stärke und musste sich zwingen, aufrecht stehen zu bleiben, wenn sie auch machtlos gegen ihr Zittern war.
Fürchtete sie ihn? Ja … Niemals hätte sie es für möglich gehalten. Der Mann, dem sie bedingungslos vertraute, dem sie bereitwillig ihre Seele und ihren Körper geschenkt hatte, jagte ihr Angst ein – dieser Mann, von dem sie behaupten würde, er könnte dank seines unerschütterlichen Edelmuts Berge versetzen.
Und jetzt erschrak sie vor ihm, denn sie las in seiner Miene, was ihr am schlimmsten erschien – nicht den drohenden Tod, dem war sie tapfer gegenübergetreten und wundersamerweise entronnen war. Nein, sie erblickte etwas anderes, den Verlust eines kostbaren Schatzes, für dessen Rettung sie alles tun würde, den Verlust seiner Liebe.
»Bitte, Royce … Was ich tat, musste ich tun. Versuch, mich zu verstehen. Ich bin die Atreides – und verantwortlich für …«
»Sei still«, unterbrach er sie. Obwohl er leise sprach, klang seine Stimme hart und rau wie Stahl, der sich an Felsen reibt. »Ich habe beobachtet, was geschehen ist, wie du ihn in deine Nähe gelockt hast. Seit ich dich kenne, sah ich nie ein Messer in deiner Hand. Dachtest du wirklich, du könntest ihn töten?« Heiser und freudlos lachte er auf.
»Ja. Und er wäre tatsächlich gestorben. Das hatte ich vorausgesehen.«
»Was?« Entgeistert starrte er Kassandra an. »In einer Vision?« Seine Finger umfassten ihren Arm noch fester, fast schmerzhaft. »Was genau hast du gesehen? Erzähl es mir!«
»Ich sah Deilos sterben – und Akoras Rettung. Hier an diesem Ort – in diesem Theater, wo wir unseren Legenden und unserer Geschichte huldigen. Genügt das?«
»Wenn es alles ist. Sonst nicht. Hast du noch etwas gesehen?«
Sollte sie lügen? Nein, sie hieß Atreides, und unabdingbare Ehrlichkeit war ihr Schild. Trotz ihrer innigen Liebe zu Royce konnte
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