Insel meiner Sehnsucht Roman
Sie werden herrschen?«, fauchte sie angewidert. Wieso hatte Akora eine so giftige Schlange an seinem Busen genährt? Deilos lehnte alles ab, was die Bewohner des Inselreichs jahrhundertelang entwickelt und geschützt hatten.
»Schon immer hätte meiner Familie der Thron gebührt. Unglücklicherweise dachten sich die Atreiden die absurde Zeremonie einer Wahl aus, und sie sorgten dafür, dass nur die Mitglieder ihrer Dynastie die Prozedur überlebten. Und so wurde mein Clan skrupellos bestohlen.«
»Hin und wieder regierte ein Vanax, der nicht Atreides hieß.«
»Mag sein. Trotzdem stammte jeder von einer Atreidenmutter ab, oder er war mit der Tochter eines Atreides verheiratet. Doch das wird sich jetzt ändern. Gewiss, ich werde Sie heiraten, um das Volk zufrieden zu stellen, aber Sie dürfen sich nicht in die Regierungsgeschäfte einmischen.«
»Offensichtlich haben Sie alles ganz genau geplant … Würden Sie mir verraten, wie Sie letztes Jahr dem Tod entronnen sind?«
Einige Sekunden lang starrte er sie verständnislos an, dann röteten sich seine Wangen. »Als Ihr teurer Bruder sein Bestes tat, um mich zu ermorden? Das gelang ihm nicht. Begreifen Sie es nicht? Ich bin dafür geschaffen, zu leben – und zu herrschen. Deshalb wird mich niemand besiegen.«
»Wenn es so ist, müssen Sie sich nicht sorgen … Inmitten eines wilden Sturms segelten Sie in den Kanal. Wieso sind Sie nicht ertrunken?«
»Weil mich der Meeresgott emporhob.«
»Der Meeresgott?«
Daran schien er tatsächlich zu glauben. In seinem wirren Gehirn bildete er sich ein, er wäre von einer göttlichen Macht gerettet worden. Niemals konnte er der Erwählte sein. Aber er war verrückt genug, um sich dafür zu halten.
»Bezweifeln Sie das, Prinzessin?«, fragte Deilos. »Darauf kommt es nicht an, denn Sie sind im Grunde Ihres Herzens eine Ungläubige. Sie gehören einem falschen Glauben an. Wenn Sie es auch nicht wahrhaben wollen – es gibt die Götter des Meeres und der Stürme, und sie sind mir erschienen.«
»Manchmal gehen die Götter geheimnisvolle Wege … Und der alte Geist von Akora? Glauben Sie, auch er würde Sie begünstigen?«
»Der existiert nicht. Den haben die Atreiden erfunden.«
Diese Antwort hatte sie erwartet. Trotzdem erschauerte sie, denn Deilos' Wahnsinn war ein hoffnungsloser Fall.
»Wir haben lange genug geredet«, entschied er unvermittelt. »Kehren wir gemeinsam in den Palast zurück. Dort werden Sie unsere Hochzeit bekannt geben, die sofort stattfinden soll.«
Da wusste Kassandra, was sie zu tun hatte. Sie musste ihm unmissverständlich klar machen, dass sie sich niemals an seinen verrückten Machenschaften beteiligen würde. Dann würde sie ihn dazu verleiten, sie zu töten. Doch das konnte ihm nur gelingen, wenn er ganz nahe an sie herantrat. Und sobald er dicht vor ihr stand, würde sie bereit sein …
Sie atmete die milde Morgenluft ein und schaute sich ein letztes Mal im Theater um. Wehmütig dachte sie an ihre Eltern, ihre Brüder – und vor allem an Royce. Wie sehr sie sich nach ihm sehnte!
»Nein«, sagte sie und wartete auf den Schritt in die Ewigkeit.
»Nein?«, wiederholte Deilos, als hätte sie in einer fremden Sprache geantwortet.
»Ich heirate Sie nicht. Keinen einzigen Ihrer Wünsche werde ich erfüllen – und Sie mit all meinen Kräften bekämpfen. Solange ich lebe, können Sie nicht siegen.«
So – jetzt hatte sie dem Ruf ihrer Pflicht gehorcht, und wenn sich der Himmel barmherzig zeigte, würde er ihr ein schnelles Ende gewähren.
Deilos kam noch näher, und sie fröstelte, denn in seinen Augen sah sie das Licht des Bösen glitzern, das seine Seele beherrschte. Weil er ein Sklave seines Machthungers und seiner Eitelkeit geworden war …
»Was soll der Unsinn?«, zischte er und schwang seine Fäuste empor. »Sie sind mir hilflos ausgeliefert, Prinzessin.«
Näher – und näher … Fast unerträglich, dieser Zwang, stehen zu bleiben und nicht davonzulaufen …
Zitternd umschlossen ihre Finger den Messergriff. Wie alle Akoranerinnen war sie in kriegerischen Künsten ausgebildet worden. Nicht, weil sie etwas von den Akoranern zu befürchten hatten, sondern weil auf dieser Welt ungeahnte Gefahren lauern mochten.
Auf dem Exerzierplatz hatte Kassandra ausgezeichnete Leistungen gebracht, was sie nach der Meinung der Lehrer ihrem Atreidenblut verdankte. Doch sie hatte auch ihren englischen Vater das Schwert schwingen sehen, und sie glaubte, sein Erbe würde ihr ebenso nützen.
Noch ein
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