Insel meiner Sehnsucht Roman
verkrampfte sich ihr Magen. Damit hätte sie rechnen müssen. Diesen Unsinn hatte Atreus vor etwa zwei Jahren erwähnt, nur beiläufig, und gar nicht auf ihre vorhersehbare Antwort gewartet.
Deilos – ihr Bräutigam? Absurd …
»Wie der Vanax Ihnen sicher mitgeteilt hat, bin ich nicht an einer Ehe interessiert.«
Gleichmütig winkte er ab. »Ach ja, Atreus hat irgend so was behauptet. Aber ich wusste es besser – er dachte, ich wäre nicht gut genug für die erhabene Familie der Atreiden.«
»Nein, er hat Ihnen die Wahrheit gesagt. Ich wollte nicht heiraten, weil ich frei sein wollte.«
Verwirrt runzelte Deilos die Stirn. »Frei? Was meinen Sie?«
»In einer Ehe hätte ich die Freiheit nicht gefunden, die ich mir wünschte. Schon seit Jahren hatte ich von weiten Reisen geträumt.«
»Warum?«
Seine Verblüffung wirkte echt. Als hätte sie gestanden, sie würde am liebsten Pferdemist essen …
»Schon mehrmals haben Sie Akora verlassen, Deilos, und deshalb müssten Sie wissen, wie wundervoll es ist, die Welt kennen zu lernen.«
»Keineswegs!«, widersprach er in entschiedenem Ton. »Nur weil es nötig war, bin ich verreist. Nichts ist mir so wichtig wie Akora.«
»Warum wollen Sie es dann zerstören?« Obwohl sie wusste, wie unklug diese Frage war – sie musste es wissen. Was mochte einen Mann zu so abscheulichen Verbrechen treiben?
»Zerstören?« Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut. »Wie können Sie es wagen, mir so etwas vorzuwerfen? Ich versuche, Akora zu retten.«
»Indem Sie den Vanax töten und die Feinde unseres Königreichs zu einer Invasion anstacheln?«
Das stritt er nicht ab. »Meinen Sie die Briten?« Wieder eine wegwerfende Geste… »Die haben nichts zu bedeuten. Mühelos würden wir sie besiegen, unser Volk würde sich wieder einigen und zu den alten Traditionen zurückkehren. Die Engländer sind nur Werkzeuge.«
»Zweifellos sehen sie das anders.«
»Was keine Rolle spielt«, erwiderte er leichthin. »So oder so, sie dienen meinem Zweck. Aber vielleicht brauche ich sie gar nicht mehr. Wenn Atreus stirbt, werde ich Sie heiraten, und das Volk wird mich als neuen Erwählten anerkennen.«
»Dies alles haben Sie von langer Hand geplant«, stieß Kassandra mühsam hervor, von heftiger Übelkeit erfasst.
»Alles wird so sein, wie es soll.« Als er näher zu ihr kam, musste sie sich zwingen, nicht zurückzuweichen. Langsam und unauffällig schob sie eine Hand zum verborgenen Schlitz in ihrer Tunika, den sie in weiser Voraussicht hineingeschnitten hatte. Sicher würde sie das Messer brauchen, das sie darin versteckte. »Über Sie gehen Gerüchte um, Prinzessin.«
»Welche Gerüchte?«
»Angeblich besitzen Sie die Gabe. Manche Leute nennen sie einen Fluch. In Ihrer Familie wurden viele Frauen mit diesem Erbe geboren.« Nachdenklich runzelte er die Stirn.
»Ich hoffe, unsere Töchter bleiben davon verschont. Aber
ich bevorzuge ohnehin Söhne.«
»Nicht immer erreicht man das Ziel, das man anstrebt.«
»Was ich will, wird geschehen, weil ich Akora diene. Entsprechen die Gerüchte der Wahrheit?«
Ihre Hand glitt in den Schlitz und berührte einen harten Griff. Um Kräfte zu sammeln, holte sie tief Atem. »Da ich nicht weiß, was sie besagen, kann ich Ihre Frage nicht beantworten.«
»Nun, man munkelt, Sie würden in die Zukunft schauen. Deshalb tragen Sie Ihren Namen.«
»Vielleicht gefiel er meiner Mutter.«
»Halten Sie das für möglich? Wie eigenartig, wenn man bedenkt, welches Schicksal jener anderen Kassandra widerfuhr … Sie wurde getötet – auf Agamemmnons Grab geopfert, nicht wahr?«
»So heißt es in der Sage.«
»Auch Sie sehen die Zukunft voraus, Prinzessin.«
»Glauben Sie, was Ihnen beliebt.«
Drohend hob er eine Hand. »Fordern Sie mich nicht heraus! Ich weiß, wer und was Sie sind – ein widernatürliches Geschöpf, eine unweibliche Frau, besessen von der Gier nach einer Macht, die ihr nicht zusteht. Was Sie im Schilde führen, dulde ich nicht. Sie werden mich heiraten, um mir und Akora zu dienen. Seien Sie dankbar für dieses Privileg!«
Noch näher – er war noch nicht nahe genug … Sie wollte schreien. Stattdessen entgegnete sie in sanftem Ton. »Wenn Sie mich dazu zwingen, werden Sie mir wehtun. Und wie Sie wissen, ist das verboten.«
»Ach ja, dieses Abkommen zwischen den Priesterinnen und den Kriegern. Das muss Ihre Familie ausgeheckt haben. Aber ich erkenne es nicht an. Die Frauen werden dienen, weil es von Anfang an ihre Bestimmung war.«
»Und
Weitere Kostenlose Bücher