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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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auch.
    Währenddessen ließen sich die beiden Frauen
mit den Tagestouristen auf den Bahnhofsvorplatz spülen.
    »Nu ham wa nich jefracht, wat mit de Nabn is.
Und der Schaffner wa och nich da. Ham wa janz umsonst Jelt jelassen. Müssen wa uns
merken, Evachen. Mensch, Lulatsch, pass doch uff, wo de hinlatschst. Meene Füßchen
sind keen Fußabtreta.« Maxi fixierte entrüstet einen vorbeihastenden Jüngling, der
es eilig hatte, in die Wilhelmstraße zu kommen. Er drehte sich nicht einmal um,
sondern verstärkte sein Bemühen, schneller zu werden.
    »Also, so wat is mir bis dato nur uff’m Alex
bejeechnet«, schimpfte Maxi ihm hinterher. Sie passierten die Skulpturengruppe auf
dem Bahnhofsvorplatz.
    »Evachen, wat sachste denn zu de grüne Meneken
da, de kippen ja jleich um. Un kiek ma de Frisurn. Det is valleicht ma ne bekloppte
Truppe.«
    »Maxi, ich glaube, wir gehen besser zum Strand.
Dahinten ist ein Schild. Mir ist das hier zu voll.«
    »Wo de recht hast, haste recht, Evachen. Komm,
jeh ma.«
    An der Promenade angekommen, wollten sie die
Treppe zum Strand nehmen, wurden aber von einer freundlich-barschen Männerstimme
aufgehalten.
    »Hier ist die Kasse, die Damen. Bevor es an
den Strand geht, müssen Sie noch an mir vorbei.«
    »Wat denn, wat denn, junga Mann. Solln wa och
noch dafür berappen, dat ma uns uff de Füße latscht? Det is ma ja een komischa Vaeen.«
    Sie fügten sich aber ohne weiteres Lamento
in ihr Schicksal und hatten die Sache schon vergessen, als die ersten Wellen über
ihre nackten Füße rollten und ihre Hosenbeine durchnässten. Die laute Ruhe des Meeres
fing sie ein. Die See sog den Lärm des Sommerstrandes auf und verwandelte ihn in
einen einschläfernden Wohllaut, der sie ganz ruhig machte. Die Sonne brannte auf
ihre Gesichter und Schultern. Der Wind fächelte die aufkommende Hitze von der Haut
und streichelte alles Unbehagen in den stahlblauen Äther über ihnen. Sie fühlten
sich wohl.

Mittagsspaziergang
     
    Jung beendete die Lektüre, schlug die Akte zu und starrte versonnen
aus dem Fenster. Ein Gefühl beschlich ihn, das er nicht erwartet hatte: Angst wäre
zu viel gesagt, aber eine ängstliche Vorsicht breitete sich in ihm aus. In diesem
Fall ging es nicht nur um Tod, sondern auch um viel Geld, um sehr viel Geld, um
Macht, Einfluss, Gier und Neid. Sylt als Refugium der Reichen und Schönen war ein
Wirtschaftslabel besonderer Art, in das man risikolos investieren konnte und dessen
Geldschöpfungspotenzial immens war. Name und Renommee der Insel waren Garantien
auf Geldvermehrung für alle, die sich ihrer bedienen durften. Entsprechend wurde
darum gekämpft, nicht mit Haken und Ösen, sondern mit krimineller Gewalt und Energie.
Dabei musste im Auge behalten werden, dass der Glamour der Insel nicht bröckelte
und Risse bekam.
    Jung unterbrach seinen Gedankengang. Etwas
drängte in sein Bewusstsein, das beim Lesen des Berichtes unterschwellig haften
geblieben war: Strychnin, davon hatte er in seiner Jugend in schlechten Kriminalromanen
gelesen. Er erinnerte sich vage, dass es als Rattengift vor langer Zeit mal en vogue
gewesen, danach aber aus der Mode gekommen war. Seit langer Zeit war von Strychnin,
in welchem Zusammenhang auch immer, nicht mehr die Rede gewesen. Er beschloss daher,
als Ersten den Rechtsmediziner Dr. Endert danach zu fragen, bevor er weitere Schritte
plante.
    Seine Uhr zeigte auf kurz nach 12, Zeit für
eine Mittagspause. Er wollte sie nutzen, um seine Gedanken zu sortieren. Eine Jacke
brauchte er bei dem schönen Wetter nicht. So verließ er das Gebäude, wie er war,
in leichter Sommerhose, Polohemd und Sneakers.
    Normalerweise aß er eine Kleinigkeit im ›Gegenüber‹
in der Roten Straße: Pasta mit Pesto aus Sardinien, Spaghetti Carbonara oder gemischte
Antipasti aus der Vitrine, begleitet von einem Glas Lugana. Heute lenkte er seine
Schritte auf die sonnenbeschienene Promenade um die Hafenspitze herum ans Ostufer.
Ans Essen dachte er weniger. Außerdem hatte er hier vor einiger Zeit in Clausens
Fischmarkt zu Mittag gegessen und schlechte Erfahrungen gemacht. Die Lage am Wasser
mit der herrlichen Aussicht auf die westliche Höhe, Duborg und St. Marien hatte
ihn eingeladen. Das Essen enttäuschte ihn aber. Die Teller waren zu groß, die Salatbeilagen
zu aufgeplustert, die Bratkartoffeln zu fett, die Soßen zu üppig, die Fischfilets
zu groß, die Bedienung schlecht gekleidet und zu laut und – als er seinen Teller
nicht leer essen wollte – auch noch

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