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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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durch die Tür
ins Vorzimmer.

Der Sohn
     
    Kurze Zeit später trat sie in Begleitung ihres Mannes wieder ein. Sie
waren gleich groß. Die exakte Übereinstimmung ihrer Körperlänge teilte sich ihrer
Umgebung als eine unübersehbare Botschaft mit. Er trug Reitklamotten und strahlte
den Charme eines ewigen Knaben aus. Jung reichte ihm die Hand, und sie setzten sich
in die Mies van der Rohe-Stühle.
    »Entschuldigen Sie meine Verspätung, aber meine
Ponys ließen mich nicht weg«, begann Jürgen Mendel. »Ich nehme an, Sie sind auch
ohne mich zurechtgekommen. Karin und ich sind übrigens der gleichen Meinung, was
den Tod meiner Mutter betrifft.« Seine männliche Stimme und der wachsame, ernste
Blick aus seinen grauen Augen überraschten Jung. Sie standen im Widerspruch zu dem
jugendlichen Flair, das er verbreitete. Es machte ihn interessant und attraktiv.
    »Ja, Ihre Frau hat mich schon eingeweiht. Aber
ich möchte Ihnen dennoch ein paar Fragen stellen, wenn Sie erlauben.«
    »Ich erlaube. Deswegen bin ich ja hier«, erwiderte
er leicht amüsiert.
    »Wie war Ihre Mutter als Geschäftsfrau, und
wie standen Sie persönlich zu ihr?«, wiederholte Jung die Frage, die er schon Karin
Mendel gestellt hatte.
    »Sie war professionell und außerordentlich
erfolgreich. Wie sie das hingekriegt hat, weiß meine Frau besser als ich. Mir ist
das völlig fremd, obwohl ich ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium habe.«
    »Es hat Sie nicht interessiert, obwohl Sie
von Ihrer Mutter lebten, sehe ich das richtig?«, fragte Jung etwas ungehobelt und
mit zu viel Aggression in der Stimme.
    »Ja, so kann man das sehen«, antwortete er
ungerührt.
    »Und wie sehen Sie das?« Jungs Aggression war
nicht zu überhören.
    »Ich gebe zu, ich habe nicht gemacht, wofür
sie mich bezahlte. Dennoch habe ich zu ihrem geschäftlichen Erfolg nicht unwesentlich
beigetragen.«
    »Worin bestand Ihr Beitrag?« Jung sah flüchtig
zu Karin Mendel hinüber und entdeckte zu seiner Bestürzung, wie ihm ein Hauch von
Verachtung entgegenwehte.
    »Ich habe einen finanziell potenten Kundenstamm
akquiriert und gepflegt, wenn auch eher beiläufig und unbeabsichtigt. Darüber hinaus
kam von mir nichts. Ich habe weder Interesse noch Talent für den Rest.«
    »Aber der Tod Ihrer Mutter hat Sie schon interessiert,
nehme ich an.« Jung konnte sich nicht bremsen, obwohl er spürte, dass er zu weit
ging.
    Mendel sah Jung irritiert an, als wollte er
etwas bemerken, das er sich aber doch verkniff.
    »Ja, schon. Aber er kam für mich nicht überraschend.
Sie war todkrank. Selbstmord war völlig abwegig. Mord ebenfalls. Ich kann mir keinen
Reim darauf machen. Es verwirrt mich nur.«
    »Aber er hat Sie reich gemacht, nicht wahr?«
Der Hohn in seiner Stimme fiel Jung selbst auf.
    »Das ist richtig. Sie hat uns ein Vermögen
hinterlassen. Aber wir waren davor auch nicht mittellos. Das haben Ihre Leute ja
schon hinlänglich überprüft.«
    »Gilt das auch für Ihren Bruder? Können Sie
dazu etwas sagen?« Jung versuchte, seine Aggression zu bremsen, indem er auf nahe
liegende Schauplätze abschweifte.
    »Da sprechen Sie gerade den Richtigen an«,
lachte Jürgen Mendel. »Im Gegensatz zu mir ist er von Geld und Wirtschaft fasziniert.
Er ist so ein Börsenfreak bei Goldman Sachs in New York. Im letzten Jahr hat er
Prämien kassiert, gegen die seine Anteile aus der Erbschaft eher Peanuts sind, um
mal im Jargon zu bleiben.«
    Jung entspannte sich und erinnerte sich daran,
in der Zeitung von Prämienzahlungen in Milliardenhöhe von amerikanischen Investmentbanken
an ihre Broker gelesen zu haben.
    »Und Ihr persönliches Verhältnis zu Ihrer Mutter?
Was können Sie mir dazu sagen?« Jung lenkte das Gespräch zurück in ruhigere Fahrwasser.
    »Ich bin meiner Mutter dankbar. Ihr Erbe ermöglicht
mir ein sorgloses Leben, wenn man so will.« Er stoppte abrupt seinen Redefluss.
»Hören Sie, meine Pferde warten auf mich. Seien Sie mir nicht böse. Wir können gerne
weiterreden, wenn ich fertig bin. Karin, was meinst du, können wir Herrn Jung zum
Abendessen bei uns verkraften?«
    »Sicher doch.« Ihre Augen streiften ihren Mann
amüsiert erstaunt, aber nicht im Mindesten verärgert. »Sie sind herzlich willkommen«,
wandte sie sich Jung zu.
    »Ja, also, ich weiß nicht. Ich habe noch Fragen
an Sie. Passt das zu Ihrem Abendessen?«, wandte er schuldbewusst ein.
    Jürgen Mendel erhob sich. »Keine falsche Rücksichtnahme,
Herr Kriminalrat. Sie können bei der Gelegenheit ein Auge auf den Ort

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