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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Jürgen Mendel bewegt, das Gespräch
gerade an der Stelle abrupt abzubrechen, an der er Persönliches über seine Mutter
preisgeben sollte?
    Jung legte den Kopf in den Nacken, schloss
die Augen und sog die Luft durch den offenen Mund. Er sah aus wie die am Strand
wandernden Frauen vom Vormittag.
     
    Jürgen Mendel fand sich pünktlich vor dem Hotel ›Stadt Hamburg‹ ein.
Er begrüßte Jung freundlich.
    »Setzen Sie sich schon ins Auto. Ich hab eine
Kleinigkeit im Hotel zu erledigen. Bin gleich wieder da.«
    Mendels Auto war ein betagter Jeep mit Anhängerkupplung
und von undefinierbarer Farbe. Er setzte sich auf den mit einem schmutzigen Kissen
bestückten Beifahrersitz. Mendel ließ nicht lange auf sich warten und schwang sich
neben ihn auf den Fahrersitz.
    »Bitte sich anzuschnallen. Das ist in diesem
Vehikel nötig, Sie werden sehen.«
    »Es ist ziemlich alt, nicht wahr?«, bemerkte
Jung.
    »Da haben Sie recht. Es stammt aus dem Jahre
77, ein Jeep CJ -7 Renegade. Ich hab ihn von einem Sportsfreund
geschenkt bekommen, der auf einen neuen SUV oder USV , ich kann mir das nicht merken, umgestiegen
ist. Ich mag das alte Schlachtross. Etwas sperrig, aber zuverlässig.«
    Er ließ den Motor an. Es rumpelte und vibrierte
heftig. Ihre Unterhaltung verwandelte sich in gegenseitiges Zurufen.
    »Musste noch eine Bestellung bei meiner kleinen
Freundin abholen. Sie arbeitet im Hotelrestaurant. Kann ich übrigens wärmstens empfehlen.
Sie ist hübsch anzusehen, hat ein umwerfendes Lächeln. Obendrein ist sie klug und
freundlich.«
    »Danach werden sie ausgesucht und eingestellt«,
kommentierte Jung laut und trocken.
    »Stimmt, stört mich aber nicht. Sie wohnt in
Husum und bringt mir ab und zu Leckereien von unserem Lieblingsschlachter mit. Er
verarbeitet hauptsächlich Salzwiesenschafe. Den Schinken und die Salami gibt’s zum
Abendbrot.«
    »Ich bin gespannt.« Mehr fiel Jung dazu nicht
ein.
    »Ich möchte mich noch einmal für heute Nachmittag
entschuldigen. Aber meine Ponys sind mir wichtig. In der Saison brauchen sie meinen
vollen Einsatz.«
    »Der Polosport ist sehr aufwendig?«
    »Das kann man wohl sagen. Er ist wirklich einzigartig.
Er braucht viel Geld, aber mehr noch braucht er Einsatz und Fähigkeiten.«
    »Sie müssen reiten können.«
    Mendel lachte laut auf.
    »Viele können reiten. Aber ein Poloreiter muss
wirklich reiten können, fast ohne Hilfen. Er muss reiten und gleichzeitig den Ball
mit einem langstieligen Schläger auf dem Boden kontrollieren. Das erfordert große
Geschicklichkeit. Ein ausgeprägtes Balancegefühl muss er mitbringen. Das kann man
nicht nebenher trainieren.«
    »Es gibt auch Ringreiter«, fügte Jung an.
    Mendel wandte ihm kurz sein Gesicht zu und
sah ihn mitleidig an.
    »Haben Sie mal einen portugiesischen Stierkampf
erlebt?«, schrie er Jung zu.
    »Nein«, schrie Jung zurück.
    »Das sollten Sie sich mal ansehen, wenn Sie
Gelegenheit haben. Der Stier wird nicht getötet, nur erschöpft. Der Matador sitzt
zu Pferde. Seine Kunst besteht darin, mit seinem Pferd und dem Stier einen Tanz
aufzuführen. Die Hörner dürfen den beiden nicht zu nahe kommen. Aber der Matador
muss dem Stier seine Banderillas dennoch in den Nacken stoßen können. Seine Hände
halten die Banderillas, nicht etwa die Zügel. Das braucht mehr, als wir gewöhnlich
können.«
    »Wie geht es den Pferden dabei?«, schrie Jung.
    »Das ist eine gute Frage, eine ausgezeichnete
Frage. Sie berühren das wahre Wesen unseres Sports.«
    Er schwieg andächtig und blickte Jung kurz
in die Augen. Jung sagte nichts.
    »Die Pferde sind das Wichtigste. Wir sind ihre
Herren und Diener zugleich. Der Poloreiter muss seine Tiere kennen. Er muss sie
lieben, und sie ihn auch. Das kriegt er nur hin, wenn er sich selbst um alles kümmert.
Er muss sie auswählen, ihre Stärken trainieren, ihre Schwächen austarieren. Er arbeitet
mit mehreren Tieren, denn ein Polospiel ist für seine Pferde sehr anstrengend. Sie
müssen öfter gewechselt werden.«
    »Ich verstehe. Ein Fulltime-Job for people
with unlimited cash, sozusagen«, bemerkte Jung laut.
    »Sie haben es erfasst. Können nur wenige. Aber
die hält das zusammen.«
    »Ziemlich elitär, finden Sie nicht?«
    »Richtig, sehr elitär, aber wunderbar.«
    Mendel bog von der glatten Autostraße rechts
ab. Das einsetzende Gerumpel machte jede weitere Konversation unmöglich. Mendel
brüllte.
    »Das sind Kampens Straßen. Man könnte glauben,
sie lassen sie mit Absicht so verrotten. Soll keinen Spaß

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