Inseln im All -: Roman (German Edition)
schwingende Raumstation oder Rakete befindet sich gewissermaßen in diesem Zustand des ständigen Fallens; es ist gleichsam ein »Fall«, der für ewig dauern kann, weil man nicht zur Erde hin, sondern um sie herum fällt.
»Vorsichtig jetzt!«, sagte der Pilot. »Ich möchte nicht, dass Sie Ihren Schädel gegen meine Armaturentafel schmettern. Wenn Sie zum Fenster hinausschauen wollen, dann halten Sie sich an diesem Griff hier fest.«
Ich gehorchte und spähte dann durch das kleine Bullauge, dessen dicke Kunststoffscheibe nun das Einzige war, was sich zwischen mir und dem Nichts befand.
Ja, ich weiß: es gibt so viele Filme und Fotos, dass nun wirklich jedermann weiß, wie die Erde vom Weltraum aus dem Beschauer erscheint. Ich will also keine Zeit damit verschwenden, diesen Anblick zu beschreiben. Und um die Wahrheit zu sagen – so viel gab es auch gar nicht zu sehen; denn fast mein ganzes Gesichtsfeld war vom Pazifischen Ozean ausgefüllt. Unter mir dehnte sich ein erstaunlich tiefes Azurblau, das zu den Grenzen meines Blickfeldes hin in einem dunstigen Blau verschwamm. Ich fragte den Piloten, wie weit der Horizont entfernt sei.
»Etwa dreitausendzweihundert Kilometer«, antwortete er. »Sie können südwärts fast bis Neuseeland schauen und nach Norden bis nach Hawaii. Ein ganz netter Ausblick, nicht wahr?«
Nachdem ich mich nun ein wenig an die Größenmaßstäbe gewöhnt hatte, konnte ich ein paar der pazifischen Inseln ausmachen, von denen manche ganz deutlich ihre Korallenriffe zeigten. Weit hinten in der Richtung, in der – wie ich annahm – der Westen lag, wandelte sich die Farbe des Ozeans ganz abrupt von Blau zu einem lebhaften Grün. Es wurde mir klar, dass ich dort auf die riesigen schwimmenden Meeresfarmen hinunterblickte, die den asiatischen Kontinent mit Nahrung versorgten und jetzt einen großen Teil aller tropischen Ozeane bedeckten.
Als die Küste von Südamerika in Sicht kam, begann sich der Pilot auf die Landung an der Inneren Station vorzubereiten. Das Wort Landung klingt in diesem Zusammenhang freilich etwas seltsam, aber das ist nun einmal der Ausdruck, den man dafür gebraucht. Draußen im Weltraum haben viele alltägliche Worte eine ganz neue Bedeutung. Ich starrte immer noch zu dem kleinen Bullauge hinaus, als mich der Pilot anwies, auf meinen Liegesitz zurückzukehren, damit ich während der Landemanöver nicht in der Kabine herumschwebte.
Der Fernsehschirm war jetzt ein schwarzes Rechteck, in dessen Mitte ein winziger Doppelstern leuchtete. Wir waren noch ungefähr sechzehnhundert Kilometer von der Station entfernt und holten sie auf ihrer Umlaufbahn langsam ein. Die zwei Sterne wurden heller, und der Zwischenraum zwischen ihnen vergrößerte sich; andere, ganz schwach leuchtende, winzige Punkte tauchten in ihrer Nähe auf. Ich wusste, dass ich dort die Raumschiffe sah, die gerade »im Dock« waren, wo sie aufgetankt oder überholt wurden.
Plötzlich flammte eines dieser schwach glimmenden Sternchen zu strahlender Helligkeit auf. Hundertfünfzig Kilometer vor uns hatte eines der Schiffe jener kleinen Raumflotte seine Raketenmotoren angeschaltet und bewegte sich jetzt von der Station fort. Ich fragte den Piloten danach.
»Das wird die ›Alpha Centauri‹ sein, die zur Venus fliegt«, antwortete er. »Sie ist ein wunderbarer alter Kahn, aber es wird wirklich bald Zeit, dass man sie pensioniert. Aber jetzt lassen Sie mich mit meiner Navigation weitermachen. Das ist eine Arbeit, die der Roboterpilot nicht leisten kann.«
Die Innere Station war nur noch ein paar Kilometer entfernt, als wir zu bremsen begannen. Von den Steuerdüsen in der Schiffsnase ertönte ein schrilles Pfeifen, und einen Augenblick lang kehrte ein schwaches Gefühl der Schwere zurück. Es dauerte nur ein paar Sekunden; dann hatte das Schiff sein Tempo der Umlaufgeschwindigkeit der Station angeglichen und sich den anderen dahintreibenden Begleitern der Station hinzugesellt.
Nachdem ich den Piloten um die Erlaubnis gefragt hatte, verließ ich meine Sitzschale und schwebte wieder zum Fenster. Die Erde befand sich jetzt auf der anderen Seite des Schiffes, und ich schaute auf die Sterne hinaus – und auf die Raumstation. Es war ein so überwältigender Anblick, dass ich fast eine Minute lang hinausstarrte, ehe ich mich einigermaßen zurechtfand. Jetzt verstand ich erst richtig den Sinn jenes Orientierungstestes, dem mich die Ärzte unterworfen hatten.
Mein erster Eindruck von der Inneren Station war der eines
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