Inseln im All -: Roman (German Edition)
ursprüngliche Verletzung recht ernsthaft gewesen sein musste.
Alles in allem war Kommandant Doyle bestimmt kein schöner Mann, aber bestimmt eine auffallende Persönlichkeit – und meine größte Überraschung stand mir noch bevor.
»Sie sind also der junge Roy Malcolm, wie?«, sagte er mit einer freundlichen, ruhigen Stimme, die keineswegs so furchterregend war wie sein Aussehen. »Wir haben schon eine ganze Menge von Ihnen gehört. In Ordnung, Captain Jones – von nun an werde ich mich um Ihren Schützling kümmern.«
Der Pilot salutierte und glitt davon. Während der folgenden zehn Minuten fragte mich Doyle gründlich über mein Leben und meine Interessen aus. Ich erzählte ihm, dass ich in Neuseeland geboren worden war und einige Jahre in China, Südafrika, Brasilien und in der Schweiz gelebt hatte, da mein Vater – ein Journalist – in diesen Ländern beruflich gearbeitet hatte. Dann waren wir nach Missouri gezogen, weil Mutter die Berge sattbekam und einmal in einer anderen Umgebung leben wollte. So wie die Verhältnisse heutzutage sind, waren wir gar nicht besonders viel herumgekommen. Ich hatte nicht einmal die Hälfte der Orte gesehen, die unsere Nachbarn alle zu kennen schienen. Vielleicht war das auch einer der Gründe, warum ich unbedingt in den Weltraum hinauswollte.
Nachdem Kommandant Doyle alles niedergeschrieben und sich noch eine Menge Notizen gemacht hatte, die ich brennend gern gelesen hätte, legte er seinen altmodischen Füllfederhalter beiseite und starrte mich eine lange Minute an, als wäre ich irgendein exotisches Tier. Gedankenversunken trommelte er dabei mit seinen riesigen Fingern auf der Schreibtischplatte. Mir war ein bisschen unbehaglich zumute, und obendrein hatte ich inzwischen dummerweise den Boden unter den Füßen verloren und schwebte jetzt hilflos mitten in der Luft. Es gab keine Möglichkeit, wieder nach unten zu kommen, es sei denn, ich hätte mich lächerlich gemacht, indem ich zu schwimmen versuchte – was vielleicht Erfolg gehabt haben würde, vielleicht aber auch nicht. Schließlich lachte der Kommandant in sich hinein, und sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen.
»Ich glaube, das könnte ganz amüsant werden«, sagte er. Während ich noch überlegte, ob ich es wagen sollte, ihn zu fragen, was er damit meinte, fuhr er fort, nachdem er auf ein paar Tabellen geblickt hatte, die hinter ihm an der Wand hingen: »Der Nachmittagsunterricht ist gerade vorbei. Ich werde Sie jetzt den Jungens vorstellen.« Dann ergriff er ein langes Metallrohr, das offenbar unter dem Schreibtisch gehangen hatte, und stieß sich mit einer einzigen Bewegung seines linken Armes aus seinem Sessel empor.
Er bewegte sich so schnell, dass er mich damit völlig überrumpelte. Einen Augenblick später konnte ich gerade noch einen Ausruf der Überraschung unterdrücken. Denn als er sich über den Tisch erhob, sah ich, dass Kommandant Doyle keine Beine mehr hatte.
Wenn man als Junge in eine neue Schule kommt oder in einen anderen Bezirk zieht, dann beginnt zuerst immer eine verwirrende Zeit, die so erfüllt ist von neuen Eindrücken, dass man sich später gar nicht mehr so recht an alles erinnern kann. So ging es mir an meinem ersten Tag in der Raumstation. Noch nie zuvor hatte ich in so kurzer Zeit so viel erlebt. Das lag nicht nur daran, dass ich eine ganze Menge fremde Leute kennenlernte; ich musste tatsächlich wieder ganz neu zu »leben« lernen.
Anfangs fühlte ich mich so hilflos wie ein Baby. Ich konnte nicht richtig abschätzen, wie viel Kraft für eine bestimmte Bewegung nötig war. Das Gewicht der Körper war zwar verschwunden, aber ihre Masse, die jeder Bewegungsänderung nach dem Trägheitsgesetz einen bestimmten Widerstand entgegensetzt, war geblieben. Es erfordert eine ganz bestimmte Kraft, die eben von jener »trägen Masse« eines Körpers abhängt, wenn man ein Objekt, gleich welcher Art, aus der Ruhe in Bewegung versetzen oder seine Bewegungsrichtung ändern will – und ebenso, wenn man diesen Körper wieder abzubremsen versucht. Und zu diesem Zweck hatte Doyle ein Hilfsmittel erfunden, das man scherzhaft »Besenstiel« nannte. Und hier waren die Besenstiele eine große Hilfe. Der Name stammte natürlich von der alten Märchenvorstellung her, dass einst die Hexen auf Besenstielen zu reiten pflegten. Und tatsächlich bewegten wir uns mit Hilfe dieser »Besenstiele« durch die Station. Sie bestanden aus zwei Röhren, von denen man die eine in die andere
Weitere Kostenlose Bücher