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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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wollen.
    Auf dem Vorplatz von Dunmore Hall saßen sie ab und übergaben die Pferde dem Rossknecht. Es wimmelte nur so von Dienstboten, die Fässer, Säcke, Krüge und Schüsseln zwischen dem Küchengebäude und dem Haupthaus hin- und herschleppten. Schon seit Tagen wurde in der Küche gewerkelt. Die übliche Dienerschaft war um einige Arbeiter und Sklaven von Rainbow Falls verstärkt worden, um der Vorbereitungen Herr zu werden.
    In den letzten Wochen hatte ihre Schwiegermutter über nichts anderes geredet als über die Menüfolge. Elizabeth kannte sie bald auswendig. Es sollte Rindfleisch, Zicklein und Lammkeule aufgetischt werden, außerdem Spanferkel, Wildschweinrücken, Braten von Huhn, Gans und Ente, daneben Fisch, Muscheln und Krabben in allen Variationen, ganz zu schweigen von all dem Gemüse und den Früchten, die gesotten, gestampft, geschmort oder glasiert als Beilagen gereicht werden sollten. Während und nach dem Essen würde gallonenweise Alkoholisches ausgeschenkt werden, was zweifelsohne eine Reihe von Gästen dazu animieren würde, sich dermaßen volllaufen zu lassen, dass sie zu fortgeschrittener Stunde unter den Tischen liegen bleiben würden. Zu alledem sollten Musiker aufspielen, die besten, die Harold auf der Insel hatte finden können.
    Martha Dunmore stand unter dem rußgeschwärzten Türbalken vor der Küche und beaufsichtigte das Geschehen. Sie war nassgeschwitzt und wirkte in höchstem Maße angespannt. Als sie Elizabeth sah, kam sie zu ihr geeilt. Ihr von grauen Strähnen durchsetztes Haar hing feucht um ihr Gesicht, und ihre Wangen waren von roten Flecken übersät. Die porzellanblauen Augen schwammen in Tränen.
    » Die gute Ochsenlende ist weg«, sagte sie, die Hände vor dem ausladenden Busen verkrampft. » Was soll ich nur tun?« Ihre Stimme, die immer ein wenig atemlos klang, kippte leicht über.
    » Was ist passiert?«, erkundigte Elizabeth sich der Höflichkeit halber, obwohl es sie wenig scherte. Mit ihrer Schwiegermutter verband sie kein allzu herzliches Verhältnis. Martha schwankte in ihrem Wesen zwischen Beflissenheit und Hysterie, wobei ihr Auftreten zumeist von einer gewissen verdrossenen Unsicherheit geprägt war. Oft kam es Elizabeth so vor, als werde sie von ihrer Schwiegermutter beobachtet. Manchmal spürte sie ihre verstohlenen Blicke auf sich, und wenn sie sich zu ihr umwandte, wirkte Martha schuldbewusst und fast ängstlich, aber auch auf unbestimmte Weise trotzig, als habe sie wichtige Erkenntnisse gewonnen, mit denen sie jedoch genau in dieser Form bereits gerechnet hatte.
    » Einer der Sklaven hat das Fleisch genommen«, teilte Martha ihr mit.
    » Welcher denn?«
    » Akin.« Martha rang in übertriebener Verzweiflung die Hände. » Ausgerechnet der.«
    » Was meinst du mit ausgerechnet der?«, fragte Elizabeth ohne sonderliches Interesse.
    Martha senkte die Stimme.
    » Er ist ein Aufrührer. Jedenfalls sagte Harold das neulich. Er meinte, der würde noch viel Ärger machen.«
    Elizabeth war bislang nicht vielen Sklaven begegnet. In Dunmore Hall arbeitete fast nur irisches und englisches Gesinde, das zum Zwangsdienst verurteilt war oder Schuldverträge abarbeiten musste. Zwei Sklaven kümmerten sich zusammen mit dem Stallknecht um die Pferde, und in der Küche half eine ältere Schwarze beim Kochen. Sämtliche anderen Sklaven der Dunmores befanden sich auf Rainbow Falls, wo Elizabeth bislang erst einmal gewesen war, um sich von Robert die Plantage zeigen zu lassen. Ein weiteres Mal war sie auf einem Ausritt daran vorbeigekommen. Danach hatte nichts sie je wieder dorthin gezogen, denn es war alles andere als anheimelnd. Es gab dort nur ein primitives Holzhaus, ein paar Schuppen für die Verarbeitung des Zuckers, eine Reihe trostloser Hütten, in denen die Schuldknechte lebten, und die noch ärmlicheren Behausungen der Sklaven. All das war umgeben von ausgedehnten Zuckerrohrfeldern, so weit das Auge reichte.
    Elizabeth rang sich zu einer weiteren Frage durch, weil ihre Schwiegermutter ganz offenkundig mehr Anteilnahme erwartete.
    » Was genau hat dieser Akin mit dem Fleisch gemacht?«
    » Er hat es verschenkt.«
    » Wirklich?«, fragte Elizabeth verblüfft. » An wen?«
    » An … alle. An die Sklaven und Diener. Sie haben schon alles aufgegessen.« Martha sah sich fahrig um. » Harold wird es merken, wenn es keine Lende gibt«, klagte sie.
    » Wie kommt der Schwarze dazu, so etwas zu tun?«
    Martha zuckte die Achseln.
    » Wer weiß schon, was diese Neger

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