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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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beweglicher Hampelmann mit bunt bemaltem Körper und langen, an Fäden aufgehängten Gliedern. Zweifellos ein weiteres Geschenk von Harold, der den Jungen über jedes vernünftige Maß hinaus verwöhnte.
    » Als Robert ein kleiner Junge war, hat er so was nie getan«, hatte Martha Elizabeth einmal anvertraut. » Manchmal scheint mir, als wolle er das an deinem Kind wiedergutmachen.« Nachdenklich innehaltend, hatte sie hinzugefügt: » Vielleicht kommt es auch daher, dass der Kleine ihm so ähnelt, viel mehr, als Robert es je tat.«
    Elizabeth hatte sich eine zustimmende Bemerkung abgerungen und gehofft, dass ihr Unbehagen unbemerkt blieb. Dass ihr Sohn dunkles Haar hatte, war gleich nach der Geburt offenkundig gewesen. Da sie und Robert beide blond waren, hatten sofort alle, die sich ein Urteil darüber erlauben konnten, die Ähnlichkeit des Kindes mit dem schwarzhaarigen Großvater konstatiert. Eine Zeit lang war Elizabeth fast verzweifelt bemüht gewesen, an diese Möglichkeit zu glauben, vor allem während jener Monate, in denen sie versucht hatte, ein normales Eheleben mit Robert zu führen. Sie hatte nichts weiter gewollt, als dass sie eine richtige Familie seien. Eltern, die zusammengehörten, ein gemeinsamer Sohn.
    Rückblickend schien es ihr fast wie eine Laune des Schicksals, dass sie ungefähr um dieselbe Zeit, als Robert wieder angefangen hatte, anderen Frauen nachzustellen, entdeckt hatte, dass nicht er, sondern Duncan Jonathans Vater war. Es war die Art, wie er sie ansah, mit weit offenen, strahlend blauen Augen. Duncans Augen. Und dann war da sein Lächeln, bei dem sich in seiner rechten Wange ein tiefes Grübchen bildete. In diesen Momenten glich er Duncan auf so fatale Weise, dass Elizabeth sich zwingen musste, nicht nervös in die Runde zu blicken, um zu sich vergewissern, dass niemand es bemerkte.
    Je älter der Kleine wurde, umso mehr Ähnlichkeiten entdeckte sie. Das eigensinnig angespannte Kinn, wenn ihm etwas nicht passte. Die überschäumende Art, wie er den Kopf in den Nacken warf, wenn er sich freute. Und die Zielstrebigkeit, mit der er seine Wünsche zu verwirklichen suchte. Hinter dem kindlichen Trotz war bereits jetzt eine kühne Waghalsigkeit zu erkennen, die ahnen ließ, dass sie in späteren Jahren durchaus Züge von Rücksichtslosigkeit annehmen mochte. Doch Elizabeth war entschlossen, dergleichen zu verhindern. Niemals würde es ihrem Sohn zum Nachteil geraten, dass sein Vater ein Pirat war.
    Sie strich ihm über den Kopf, ließ sich den Hampelmann von ihm vorführen und bestaunte gebührend die munter hüpfenden Arme und Beine, während Felicity im Hintergrund unablässig schwätzte, über die erwarteten Gäste und die jüngsten Inselgerüchte, vor allem aber über die Kleider, die sie sich beide eigens für den kommenden Abend von Anne Noringhams Zofe hatten nähen lassen.
    Elizabeths Cousine hatte sich gut auf Barbados eingelebt. Für sie war es ein wahrer Segen gewesen, England zu verlassen. Das tropische, schwülheiße Klima hatte Felicity im Gegensatz zu vielen anderen Neuankömmlingen auf Anhieb vertragen. In Dunmore Hall gab es jeden nur erdenklichen Komfort, für jeden Handgriff gab es Bedienstete, fast immer schien die Sonne, und zu alledem hatte sie Elizabeth und den kleinen Jonathan um sich, den sie mit zärtlicher Liebe überschütten konnte – so verstrich die Zeit in angenehmem, gleichförmigem Rhythmus. An gesellschaftlicher Abwechslung haperte es bisweilen, doch auch das änderte sich allmählich. Dank des wachsenden Wohlstands auf der Insel veranstalteten die bessergestellten Pflanzer immer häufiger Feste, so wie heute Harold Dunmore anlässlich seines fünfzigsten Geburtstags. Und schon in zwei Wochen würden die Noringhams eine Feier geben, auf der Anne Noringhams Verlobung verkündet werden sollte.
    » Schau mal«, sagte Felicity, sich vor dem Spiegel hin- und herwendend. » Wie findest du das?«
    Das war ein Schleiertuch im spanischen Stil, rauchgrau und aus feinster Spitze.
    » Sehr schön«, sagte Elizabeth mechanisch. In Modefragen fühlte sie sich stets unzulänglich und fragte sich oft, wieso Felicity sie überhaupt um ihre Meinung bat, da sie doch ohnehin nichts Nützliches beizusteuern hatte. Dementsprechend beantwortete Felicity sich meist die auftauchenden Fragen gleich selbst, so wie auch diesmal.
    » Ich weiß nicht«, sagte ihre Cousine stirnrunzelnd. » Für sich betrachtet ist diese Mantilla wundervoll. Aber zu dem Kleid …?«
    Das Kleid war aus

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