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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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verschüttet hatte. Dann blickten alle mit gesenkten Köpfen auf den Tisch und schwiegen, obwohl Elizabeth die Zurückhaltung angesichts solcher Härte schwerfiel. Sie wusste, dass es sein Recht war, die Schuldknechte zu schlagen – sie galten als Leibeigene, solange ihr Arbeitskontrakt gültig war –, und erst recht die Sklaven, die sein Eigentum waren, mit dem er beliebig verfahren konnte. Dennoch hasste sie es, wenn Menschen grundlos gedemütigt wurden. Es stieß sie ab, dass er immer die Peitsche am Gürtel trug, um sie bei jeder Gelegenheit griffbereit zu haben.
    Die ganze Familie atmete auf, wenn er wieder nach Rainbow Falls zurückritt. Robert hingegen, der notgedrungen ebenfalls einen Teil der Woche auf der Plantage zubringen musste, weil er sie einst übernehmen sollte, war jedes Mal froh, wenn er nach Dunmore Hall zurückkehren durfte.
    Elizabeth hatte sich mit Robert arrangiert, so gut es ihnen beiden eben möglich war. Was nichts weiter bedeutete, als dass sie einander in Ruhe ließen, jedenfalls die meiste Zeit. Wenn er es gar zu toll trieb, kam es deswegen gelegentlich zum Streit. Elizabeth fürchtete sich vor dem Tag, an dem Jonathan alt genug sein würde, um zu begreifen, was sein Vater tat. Sie sorgte sich jetzt schon, dass sein kindliches Gemüt dabei Schaden nehmen könnte.
    Wenn sie sich jedoch bei Robert beklagte, hielt er ihr vor, es liege nur an ihrer Gefühlskälte ihm gegenüber, dass er sich bei anderen Frauen das holen müsse, was sie ihm versage. Das meinte er völlig ernst. Seine Miene und sein Tonfall zeigten deutlich, wie sehr er sich von ihr zurückgesetzt fühlte, und er wollte nicht einsehen, dass es mit seiner ehelichen Treue auch in jener Zeit nicht weit her gewesen war, als sie sich ihm noch hingegeben hatte. Er hatte sich sogar zu der unerquicklichen Aussage verstiegen, dass er sie liebe und nicht begreife, warum sie seine Gefühle nicht erwidern könne. Infolgedessen war das Gleichgewicht zwischen ihnen ein zerbrechliches, doch sie schafften es zumeist, eine Art Burgfrieden zu wahren. Den Kleinen liebte Robert aufrichtig und beschäftigte sich auch gern mit ihm, sofern er es denn zwischendurch einmal schaffte, sich auf seine Rolle als Vater zu konzentrieren – was in der Regel nie sonderlich lange vorhielt, worüber Elizabeth sich aber nicht beklagte. An Gesellschaft mangelte es Jonathan ganz bestimmt nicht. Irgendwer war immer da, der ihn herzte und verwöhnte, allen voran Martha und Felicity, die einander darin überboten, das Kind zu verhätscheln. Waren sie nicht da, so gab es immer noch Deirdre, die regelmäßig zur Stelle war, wenn jemand sich um das Kind kümmern musste, oder Jonathans frühere Amme Miranda, die noch hin und wieder ins Haus kam.
    Elizabeth drehte sich zu dem Mädchen um. Deirdre hatte vor der letzten Wegbiegung aufgeschlossen, die Zügel des alten Wallachs umkrampfend. Sie machte keine besonders gute Figur im Sattel und hatte dauernd Angst, vom Pferd zu fallen.
    » Euer Kleid, Mylady«, sagte sie schüchtern.
    Elizabeth blickte an sich herab und sah die Bescherung. Das Hemd klaffte weit auf, man sah so unziemlich viel von ihrem Busen, dass nicht einmal die lockersten Mädchen von Barbados es gewagt hätten, so ins Freie zu gehen, geschweige denn, im Herrensattel über Land zu reiten. Im Schatten eines Tamarindenbaums zügelte sie das Pferd und zupfte hastig ihre Kleidung zurecht, schnürte das Mieder fester und schlang ihr Haar zu einem Knoten.
    » Geht es so?«, fragte sie.
    Deirdre nickte. Sie selbst hatte sich bereits an der Waldgrenze wieder vorzeigbar hergerichtet, das formlose, kittelartige Hemd am Hals geschlossen, die Röcke sittsam bis zu den Knöcheln hinabgestreift und das Haar zu einem festen Zopf geflochten. Außerdem trug sie wieder ihren breitrandigen, schäbigen Strohhut, unter dem ihr schmales junges Gesicht fast verschwand. Viel war auf diese Weise nicht von ihr zu sehen. Nur am Strand und im Dschungel wurde aus dem scheinbar farblosen und unauffälligen Geschöpf eine hübsche, großäugige junge Elfe mit grazilem Körper und langem, lockigem Haar. Es war ein Wunder, dass sie Robert noch nicht aufgefallen war. Doch sogleich verbesserte Elizabeth sich in Gedanken. Sicherlich war sie ihm aufgefallen. Unmöglich, dass er noch nicht bemerkt hatte, wie zauberhaft Deirdre war! Vielleicht hatte er noch keine geeignete Gelegenheit gefunden, sich an das Mädchen heranzumachen. Doch Elizabeth hätte dafür nicht die Hand ins Feuer legen

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