Inseln im Wind
sprachen über das leidige neue Gesetz der englischen Regierung, eine Reihe von Vorschriften, die den Überseekolonien verbot, Handel mit anderen Nationen zu treiben – sie sollten ihre Waren nur noch an England liefern. Diese sogenannten Navigationsakte waren in aller Munde, die Menschen auf Barbados ereiferten sich deswegen und überboten sich mit Vorschlägen, wie man dagegen angehen konnte.
» England ist weit weg«, sagte Benjamin Sutton, ein graubärtiger Pflanzer aus St. Thomas. » Wir tun einfach, was wir immer schon getan haben. Wir machen Geschäfte mit denen, die uns am besten bezahlen und am zuverlässigsten mit Tauschware beliefern – also den Holländern.«
» Keine Frage«, pflichtete Harold Dunmore ihm bei. Er nahm einen Zug von seiner Pfeife und stieß paffend den Rauch aus. » Was erwartet die englische Regierung denn? Dass wir unseren Zucker zu ruinösen Preisen abgeben und dafür nichts weiter kriegen als Wechsel, für die wir uns nichts kaufen können?«
» Besser wären mehr Sklaven«, pflichtete Jeremy Winston ihm bei, ein dürrer Mittfünfziger, dessen große, tabakgelbe Zähne ihm das Aussehen eines traurigen Pferdes verliehen. » Und die kriegen wir nun mal von den Holländern, also kriegen die auch unseren Zucker.«
Wie Harold Dunmore gehörten sowohl Winston als auch Sutton dem Rat von Barbados an, wobei Winston, der zu den Royalisten zählte, das Amt des noch vom König eingesetzten Gouverneurs innehatte. Die Geschicke der Insel wurden jedoch schon seit einem Dutzend Jahren durch die Ratsversammlung aller freien Pflanzer bestimmt. Winstons letzte offizielle Amtshandlung hatte darin bestanden, Charles II . als König auszurufen. Dagegen hatte es Widerstand und Empörung aus dem Lager der auf der Insel vertretenen Puritaner gegeben, aber die Aufregung hatte sich bald wieder gelegt, denn von praktischer Auswirkung auf das Alltagsleben war die Proklamation nicht. Plantagen mussten ausgedehnt und bepflanzt und der Zucker verkauft werden, nur das zählte.
» Was will das Rumpfparlament denn gegen uns ausrichten, vom anderen Ende der Welt aus?«, fragte Sutton in die Runde.
» Tja, sie könnten uns ihre verdammte Marine auf den Hals schicken, damit wir die Oberhoheit des Commonwealth anerkennen«, gab der Gouverneur zu bedenken.
» Dann werden wir Mittel und Wege finden, sie zum Teufel zu schicken«, erklärte Harold Dunmore kurz angebunden.
Sutton hatte einen Vorschlag.
» Vielleicht sollten wir uns rechtzeitig Unterstützung besorgen. Beispielsweise bei den anderen Kolonien. Sie haben schließlich dasselbe Problem wie wir.«
» Darüber reden wir in zwei Wochen auf Summer Hill, bei unserer nächsten Ratssitzung, wenn wir alle miteinander über diese Angelegenheit entscheiden. Heute will ich feiern.«
Sein Blick fiel auf Elizabeth, und er ließ die Männer stehen, um zu ihr herüberzukommen. Fragend sah er sie an.
» Amüsierst du dich, Kind?«
Sie zwang sich zu einem Lächeln.
» Oh ja. Es ist ein gelungenes Fest.«
Er schien es ihr abzunehmen, so wie er ihr auch die Flunkerei über die verschwundene Lende geglaubt hatte.
» Du siehst hübsch aus in dem neuen Kleid.«
Es wunderte sie, dass er solche Nebensächlichkeiten wie ein neues Kleid bemerkte.
» Vielen Dank«, sagte sie, verlegen über das aus seinem Mund ungewohnt klingende Kompliment. Sie zupfte an der blauen Seide und lächelte ein wenig kläglich. » Wenn es nur nicht so unbequem wäre.«
Er lachte und sah dabei überraschend jung aus.
» Wenn es nach mir ginge, müssten Frauen sich nicht selbst foltern, mit Miedern oder …« Er blickte suchend zur Tanzfläche. » Felicity trägt dieses Ding, das ich meine. Wie heißen diese unmöglichen Fässer unter den Röcken gleich noch?«
» Man nennt sie Verdugado. Eigentlich trägt man sie nur noch in Spanien.« Elizabeth erwiderte sein Lachen. » Lustig, dass du dabei dasselbe vor Augen hast wie ich. Ich dachte ebenfalls an ein Fass.«
Harold nickte und wirkte mit einem Mal irritiert.
» Wo ist Robert?«, fragte er unvermittelt.
» Vorhin sah ich ihn beim Tanzen«, antwortete Elizabeth mit leichtem Unbehagen.
» Mit wem?«
» Ich glaube, mit Amalia Smith. Es könnte aber auch ein anderes Mädchen gewesen sein.«
» Er sollte mit dir tanzen.«
» Oh, bitte, Harold, ich möchte wirklich nicht …«
Doch er hatte sich schon abgewandt und ging mit großen Schritten zur Tanzfläche. Elizabeth blickte ihm peinlich berührt nach. Sie war erleichtert, als sie am Fuß
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