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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob M. Soedher
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gewundert, denn es ist selten, dass so früh am Tag Motorboote unterwegs sind, ich meine – solche Motorboote. Groß und luxuriös. Das sieht man schon an der Form. Die Fischer sind ja auch schon bei Dunkelheit unterwegs, aber nicht hier, so nahe an der Insel. Weit draußen, an der Rheinmündung, oder vor Fußach. Wie auch immer – ich dachte, es würde vielleicht in den Hafen einfahren, doch es schlich ganz langsam an Leuchtturm und Löwen vorbei, passierte das Römerbad und verschwand für eine Weile vorne an der Mole.«
    »Und, weiter?«, drängte Wenzel.
    »Ich habe das nicht weiterverfolgt, aber es muss ja zunächst da an der Mole geblieben sein. Jedenfalls fuhr es nicht weiter.«
    »Haben Sie jemanden gesehen?«
    »Ja, aber nur schemenhaft, im Halbdunkeln eben … eine Gestalt auf dem Boot, so wie in einem Schattenspiel, nur ohne den hellen Kontrast, sondern dunkel auf halbdunkel. Ach … was rede ich. Sie haben in Ihrem Beruf sicher Nachtdienst gehabt und wissen was ich meine.«
    Wenzel ließ seine rechte Hand eine zustimmende Bewegung machen. »Können Sie die Stelle genauer beschreiben, an der das Boot sich aufhielt?«
    »Sicher. Das war auf halber Strecke zwischen dem alten Clubhaus und dem Ende der Mole. Es ist dort ja der Durchgang in der Mauer und eine Leiter führt hinunter zum See. Da muss das gewesen sein. Alles andere wäre ja auch unsinnig.«
    Wenzel kannte die Stelle mit der Leiter. Er hatte dort nach Spuren gesucht. Was Zychner sagte, klang logisch und war nachvollziehbar.
    »Was war mit dieser Person, haben Sie erkennen können, ob es ein Mann oder eine Frau war, was ist geschehen?! Verstehen Sie, es ist wichtig. Hat diese Person das Boot verlassen?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber von der Erscheinung her und den wenigen Bewegungen, die ich wahrnehmen konnte … da war ich eigentlich der Meinung, es hätte sich um einen Mann gehandelt. Ich habe aber nicht sehen können, ob er das Boot verlassen hat. Mehr kann ich dazu nicht sagen – im Moment.«
    »Was heißt, im Moment. Denken Sie nach!«, befahl Wenzel, »Es geht hier nicht um irgendwas. Eine Frau ist ermordet worden und das Boot steht offensichtlich in Zusammenhang mit dieser Tat. Überlegen Sie. Dieses Boot, es ist doch sicher wieder weggefahren, oder ist es vorne an der Mole geblieben?«
    Dr. Otto Zychner lächelte innerlich. Er wollte jetzt nicht weiterreden – und das mit der Frau, das würde er erst beim nächsten Treffen verraten wollen. Er sagte: »Ich bin ein alter Mann und müde. Wir müssen uns ein andermal treffen.«
    Wenzel überlegte. Er war hierhergekommen, um etwas zu erfahren und vor ihm saß jemand, der etwas gesehen hatte. Die Situation jedoch, dieses außergewöhnliche Aufeinandertreffen mit diesem Zychner, ließ ein inneres Drängen in Wenzel entstehen, der Situation zu entkommen. Ja, es drängte ihn, diese Wohnung, diesen alten Mann hinter sich zu lassen und zu gehen. Er musste erst einmal seine Gedanken ordnen, bevor er weitermachen konnte. Er stand auf und verabschiedete sich so schnell, dass es Dr. Otto Zychner nicht schaffte, ihm zu folgen und die Türe zu öffnen.
    Ein wenig zu hastig brachte Wenzel noch hervor, dass er am folgenden Vormittag wiederkommen würde. Mehr Zeit gäbe es nicht. Dann eilte er die Stufen hinunter wie ein Flüchtender. Das Vergangene, Traumatische hing beständig in seinem Nacken. Trotz der angenehmen Temperaturen schickte es ihm ab und an einen Schauer zwischen die Schulterblätter. Unten angekommen, drückte er die schwere Holztür auf und trat in das helle Sommerlicht. Hastig atmete er ein und ging langsam weiter. Immer noch wie benommen. Hier draußen war er in einer anderen Welt; es war eine helle, ausgelassene, lachende Urlaubswelt. Ein Dasein, in welchem das Jetzt laut pochte, für ein paar Tage, Stunden, Augenblicke, und dessen Wesen sich der Vergangenheit entledigt hatte, von ihr frei war und deshalb unbeschwert. Wenzel zog mit den Unbeschwerten vom Brettermarkt in Richtung Hafen. Sie schoben zwischen den Mauern dahin, einige plärrten in ihre Handys, dass sie gerade in Lindau seien, dass sie dann und dann wieder zu Hause oder andernorts wären, Tante Lisa und Onkel Franz gehe es gut, das Essen sei fein gewesen, der Hund von der Schifffahrt noch mitgenommen, und dass so viel los sei – man nicht in Ruhe telefonieren könne. Dergleichen mehr.
    Wenzel mied den brodelnden Bereich entlang des Hafenbeckens, widersetzte sich der Bewegungsrichtung der Masse und folgte der

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