Inselwaechter
verfolgte, wie das Boot der Wasserschutzpolizei in das gleißende Licht steuerte.
*
Sie warteten stumm und ergeben, bis Lydia und Wenzel mit ihrer Arbeit zu Ende gekommen waren und die Leiche abtransportiert werden konnte. Kimmel und Schielin halfen den beiden dabei, den toten Körper in die Zinkwanne zu legen. Die Position des Messers sollte möglichst nicht verändert werden.
Lydia hatte den Bund mit Wildblumen vorsichtig in eine Alufolie gewickelt. Die großen Plastiktüten waren ausgegangen, obwohl sie Erich Gommert schon vor einer Ewigkeit beauftragt hatte nachzubestellen.
Kimmels rechte Hand knetete Kinn, Mund und Nase, fuhr über den Nacken. Manchmal schnaubte er. Es war zu wenig los. Es fiel ihm schwer zu warten. Gegenüber, auf den kleinen Balkonen und an den offenen Fenstern waren nun Menschen zu sehen, die bemerkt hatten, dass draußen, zwischen Bootsschuppen, Segeljachten und Römerbad etwas vor sich ging, was nicht zu einem sommerlichen Samstagmorgen gehörte. Kimmel betrachtete die Häuserfront und meinte zu Schielin, der in die gleiche Richtung sah, dass es vielleicht Zeugen gäbe. Schielin murmelte etwas.
Im Wachraum der Wasserschutzpolizei, nur wenige Meter vom Tatort entfernt, setzten sie sich zusammen.
»Schöne Scheiße«, leitete Kimmel die improvisierte Besprechung ein, »eine Psychotherapeutin. Und gerade vor den Nobelpreisträgern.«
Lydia wiederholte stoisch, was über die Tote bisher bekannt war. »Dr. Agnes Mahler, einundvierzig Jahre alt, wohnhaft in München, Renatastraße, unverheiratet, vermutlich Gast im Hotel Seegarten.«
»Seegarten, aha. Schön, sehr schön. Wer geht dorthin und sieht nach?«
Lydia hob kurz die Hand, denn Schielin war wie abwesend. Kimmel wartete eine Weile auf eine Reaktion von ihm. Dann fragte er: »Ist was, Conrad?«
Der presste die Lippen aufeinander. »Das ist verdammt brutal gewesen. Sieht nach nicht viel aus. Kaum Blut, keine Kampfspuren. Und trotzdem derart skrupellos. Sie kann nicht damit gerechnet haben, so unbefangen wie sie an der Brüstung lehnte.«
Kimmel ging nicht auf das Gesagte ein. »Du gehst mit Lydia zum Hotel und ich kümmere mich hier um alles Weitere. Wenzel wird sich um die Spuren kümmern … wo wird eigentlich obduziert, haben wir da schon was?«
Lydia grinste. Vor ihrem inneren Auge erschien eine flotte BMW-Cabriofahrerin. »Na, in Memmingen, bei den alten muffligen Landgerichtsärzten.«
*
Langsam glitt das Polizeiboot um die Insel, nahm Kurs auf Lochau. Es war kein Fernglas erforderlich an diesem klaren Morgen. Am Himmel funkelten in hellem Blau noch letzte Sterne und der See lag wie geschliffen da. Weiter draußen als gedacht dümpelte das Motorboot, von dem der Fischer berichtet hatte. Der Bug drehte sich langsam in die eine, dann wieder in die andere Richtung.
Der Hecht nahm Fahrt auf und kam schnell näher. Vor ihnen lag eine große, moderne Motorjacht. Die Persenning war ordentlich abgenommen worden und es machte den Eindruck, als müsste jemand an Bord sein. Dem richtungslosen Treiben war aber zu entnehmen, dass niemand das Boot steuerte. Das Polizeiboot kam vorsichtig längsseits. Nur das sanfte Plätschern der Wellen, die sich an der Bordwand brachen, war zu vernehmen. Auf die Rufe antwortete niemand. Vorsichtig stieg einer der Polizisten an Bord. Die Tür zur Kajüte war geschlossen. Mit dem Griff der MagLite klopfte er nochmals an. Vielleicht hatte jemand einen sehr tiefen Schlaf – nach einer Nacht mit Alkohol und Drogen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Als wieder keine Antwort erfolgte, öffnete der Beamte die Türe und leuchtete ins Innere der Kajüte. Niemand war zu sehen. Alles machte einen aufgeräumten Eindruck. Allein am Boden hinter der Türe leuchtete etwas im Lampenlicht auf. Es war ein Geldschein. Einhundert Euro.
Sie nahmen die Motorjacht ins Schlepptau und glitten zurück in Richtung Insel. Die Kripo sollte sich darum kümmern. Vielleicht bestand ja tatsächlich ein Zusammenhang mit der Toten, die man am alten Clubhaus gefunden hatte.
*
Dr. Agnes Mahler hatte eines jener Zimmer im Hotel Seegarten gehabt, deren kleine Balkone hoch über den Seeterrassen am Hafen hingen. An der Rezeption bemühte man sich um Diskretion, was schwerfiel angesichts der Nachricht, die der Kommissar und seine Kollegin überbrachten.
Es dauerte eine Weile, bis der Hotelmanager erschien. Nur er durfte das Zimmer öffnen. Er hatte genügend Verständnis, um die beiden anschließend allein zu lassen. Lydia und
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