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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob M. Soedher
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aus.
    Wenzel schwieg einige Sekunden lang. Das steigerte die Neugier der anderen. »Dieser Schein hier war noch niemals in einer Brieftasche, einer Geldbörse oder sonst wo. Er ist völlig druckfrisch. Selbst unter dem Mikroskop sind keine Verletzungen der Kanten sichtbar, wie dies bei einem neuen Schein, der schon ein- oder zweimal den Besitzer gewechselt hat, der Fall wäre. Der hier ist nigelnagelneu.«
    »Irgendwann ist jeder Schein neu«, meinte Schielin herausfordernd.
    »Aber doch nicht auf dem Fußboden einer Motorjacht. Wenn da so ein Lappen herumliegt …?«
    »Was meinst du genau?«, fragte Lydia Naber und sah auf die Uhr. Claire Wilms musste gleich kommen.
    »Ich meine, so unverbraucht wie dieser Hunderter daherkommt, wird er sein bisheriges Leben in Gesellschaft vieler anderer Hunderter verbracht haben. Gut erzogen und wohlgeordnet von einer Banderole.«
    »Ohh. Ist ja durchaus vorstellbar, auf so einer Jacht, oder etwa nicht?«, bemühte sich Schielin seinen Kollegen zu enttäuschen.
    »Vorstellbar, durchaus. Es ist nur die Nummer dieses Scheins, die auch so schön neu und spannend ist.«
    »Also doch eine Blüte?«
    »Nein, nein. Auf solchen Schiffchen gibt es doch keine Blüten, nur in ganz vereinzelten Einzelfällen. Öfter taucht da schon ein Auslandshunderter auf. Der hier kommt aus der schönen Schweiz.« Wenzel wedelte wieder mit dem Tütchen.
    Lydia summte hoch und laut. »Mhmmm. Daher weht das Windchen. Na, da wird sich der Herr Bauunternehmer aus Ravensburg doch sicher freuen, von der Mordkommission vorgeladen zu werden und nicht von der Steuerfahndung.«
    Wenzel packte sein Beweismittel beiseite. »Man wird sehen, wie groß die Freude sein wird.«
    Lydia griff zum Telefon. »Ich rufe den jedenfalls gleich an und bestelle ihn für Morgen ein. Es geht schließlich um Mord. Wenn er rumzickt, werden wir eben grob.«
    »Wissen wir schon mehr über diesen Grohm?«, fragte Schielin in die Runde.
    »Es ist Sonntag«, murrte Lydia.
    *
    Pünktlich war Claire Wilms auf der Dienstelle erschienen. Lydia Naber nahm sie freundlich in Empfang und leitete sie in den schmucklosen Vernehmungsraum.
    »Schaut ja schlimm aus hier. Sollte mal wieder geweißelt werden«, konstatierte sie, nachdem sie ihren Blick über die grauen Wände hatte schweifen lassen.
    »Kein Geld«, entgegnete Lydia Naber lächelnd, legte ihren Notizblock zurecht und startete das Aufnahmegerät. Claire Wilms schob den Stuhl ein Stück vom Tisch zurück und schlug die Beine übereinander. Ihre Hände ruhten gefaltet im Schoß. Sie strahlte Souveränität und Lockerheit aus. Dass sie eine andere Sitzposition einnahm als Lydia Naber, die sich auf der Tischplatte aufstützte, zeigte ihr Selbstbewusstsein und machte deutlich, dass sie sich von fremden Umgebungen nicht einschüchtern ließ.
    Lydia Naber verzichtete auf die strenge Form einer frontalen Befragung. Sie hatten Zeit, und dieser Grohm, der für später einbestellt war, sollte ruhig ein wenig warten.
    »Sie sagten gestern, noch nicht lange in der Kanzlei Grohm beschäftigt zu sein.«
    »Ja. Ein gutes Jahr ist das nun her. Nach den Psychotherapietagen im letzten Jahr, hier in Lindau, war es. Da haben wir uns vereinbart und ich habe im Mai in der Kanzlei begonnen.«
    »Wer hat sich vereinbart?«
    »Agnes Mahler hat mich angesprochen.«
    »Also nicht Herr Grohm? Davon wäre ich ausgegangen.«
    »Nein. Agnes Mahler war die treibende Kraft.«
    »Was haben Sie vorher gemacht?«
    »Ich habe mich um die Opfer der positiven Psychologie gekümmert.«
    Lydia Naber verzog das Gesicht.
    Claire Wilms lachte. »Klingt kryptisch, ich weiß.«
    »Erklären Sie es.«
    »Interessiert es Sie wirklich?«
    »Ja, nur zu, es interessiert mich wirklich. Opfer, positiv und Psychologie, das ist eine interessante Wortkombination.«
    »Also gut, aber ich hole etwas aus, ja. Wir erleben seit einigen Jahren in unseren westlichen Gesellschaften eine starke psychologische Bewegung, einen Megatrend. Das ist dann der Fall, wenn Hoffnungen, Erwartungen und Konsumgewohnheiten von Millionen Menschen von einem Thema geprägt werden. Im Moment ist es das Thema Glück als solches, das so einen Megatrend darstellt. Alles was wir tun, erleben, kaufen, selbst die tägliche Arbeit – all das soll uns möglichst glücklich machen.«
    »Ich denke, das war doch schon immer ein Thema – Glück, und ist nichts Neues, oder?«
    »Na ja – als Boom, wie er derzeit stattfindet, als verfügbare Konsumware, in dieser Weise war das Glück

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