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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob M. Soedher
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Skizzen. Das war effektiver als später das Band noch mal abzuhören. Er wollte wissen, wann genau er angekommen war. Wann er im Hotelzimmer gewesen war und in welchen Zeiträumen nicht. Mit wem er sich getroffen hatte, wie lange, worüber gesprochen wurde. Zuletzt musste Grohm auf einem Blatt Papier den Weg skizzieren, den er am Samstagmorgen zurückgelegt hatte. Als Fixpunkte dienten das Hotel Bayerischer Hof, Bahnhof, Leuchtturm, Pulverturm und Bahndamm. Grohm zeichnete den Spazierweg ein, der ihn genau an diesen Orten vorbeigebracht hatte. Schielin forderte ihn auf die Zeiten zu notieren, die er in etwa für die einzelnen Streckenabschnitte benötigt hatte. Er fragte nach längeren Unterbrechungen, besonderen Feststellungen auf dem Weg, Menschen, die ihm begegnet waren. Nach Grohms Schilderung verlief sein morgendlicher Spaziergang in großer Einsamkeit und ohne dass er jemandem begegnet war, oder von einem Ereignis aufgehalten wurde. Der Streit mit dem Schrankenwärter blieb das einzige Ereignis. Und der Nachtportier hatte ihn am Morgen gesehen.

    Schielin sah Grohm lange und mit offenen Augen an. Der hielt dem Blick stand – mit ernster Miene und ohne eine Verlegenheitsreaktion zu zeigen.
    »Vielen Dank, Herr Grohm. Sie können gehen«, sagte Schielin schließlich. Was sollte er auch tun? Es gab weder objektive Beweise noch Zeugen. Es war völlig aussichtslos, gegen Grohm einen Haftbefehl zu erwirken. Nicht einmal am Lindauer Amtsgericht hätte Schielin mit dem, was er vorzuweisen hatte, einen Richter gefunden.
    Selbst dieses abrupte, offensichtlich ungewöhnliche Ende der Vernehmung überraschte sein Gegenüber nicht. Er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein. Noch im Aufstehen hielt er inne und richtete seinen Blick auf Schielin. Er fragte, wie das mit der Beerdigung von Agnes Mahler sein würde, wer sich darum kümmere und ob man schon einen Termin wisse. Schielin erklärte, dass die Eltern Frau Mahlers inzwischen informiert worden waren und ein örtliches Bestattungsinstitut beauftragt hatten. Es läge nun noch an der Staatsanwaltschaft, die Leiche nach Abschluss der Obduktion zur Beerdigung freizugeben, womit nach Lage der Dinge im Laufe der Woche gerechnet werden könnte.
    Auf Schielins Frage, wie lange er und seine beiden Begleiterinnen beabsichtigten in Lindau zu bleiben, hatte er mürrisch geantwortet, dass dies der Umstände wegen sicher noch ein paar Tage sein würden. Der Kanzleibetrieb in München sei bei ihrer Büroleiterin und den Assistentinnen in guten und erfahrenen Händen. Dann verließ er grußlos und ohne den Blick noch einmal zu wenden den Raum.
    Wenzel hatte ihm die Türe geöffnet und blickte ihm nach. Wie er so den Gang entlanglief, Schritt für Schritt seinen Rücken geraderichtete, schien es, als schüttelte er etwas Unangenehmes von sich ab.
    Schielin und Wenzel saßen noch für einige Minuten beieinander und schwiegen sich an. Keiner von beiden konnte in Worte fassen, was sie an der Person Grohms so irritierte. »Wir werden ihn noch mal holen«, meinte Schielin schließlich.

    Einige Zeit später kam Wenzel zu Schielin ins Büro. Die Vernehmung wirkte noch nach. »Der Typ ist hart drauf, nicht wahr? Das Einzige, was ihn wirklich unter Druck gebracht hat, war die Sache mit der Professur. Hast du das auch so wahrgenommen?«
    Schielin bejahte. »Sicher. Aber ich wüsste nicht, wo sich für uns ein Ansatz böte. Die Frage nach seiner letzten Begegnung mit der Mahler hat ihn aber auch etwas hervorgelockt. Das hat ihm gar nicht gefallen, dass die Frage so formuliert war. Und die Sache mit seiner Frau und der Kreditkarte, was hältst du davon?«
    »Da hat er uns einen Knochen hinwerfen wollen«, meinte Wenzel.
    »So kam es mir auch vor. Das passte nicht zu ihm. Es war so – aufgesetzt: Hallo, ihr da! Ich erzähle euch ’was Intimes aus meinem Leben … ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Frau, Kreditkarte, verwöhnte Göre, London, shoppen. Für mich klang es wie die Aufforderung, ein Gefühl von Mitleid oder Verständnis, irgendwas in dieser Art, für ihn zu empfinden. Er wollte sich anbiedern.«
    »Ja, so ging es mir auch. Und während der Vernehmung hatte er sich auch verdammt gut im Griff. Kein Zucken, kein Mucken, kein Finger, der unkontrolliert vom Willen Dinge tat. Der kann seine Impulse recht gut beherrschen. Da haben wir schon andere erlebt. Also, so recht schlau werde ich aus ihm nicht. Am liebsten hätte ich ihn hierbehalten und in die Zelle gesteckt. Kommt der da

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