Inselwaechter
wann war Ihnen bekannt, dass Frau Mahler für sich auch die Option erwog, die Kanzlei zu verlassen?«
»Die Diskussion führten wir Anfang des Jahres.«
»Ist das vielleicht der Zeitraum, ab dem Ihre private Beziehung abkühlte?«, fragte Wenzel.
Grohm bewegte gelangweilt den Kiefer und blickte Schielin an. So, als würde es Wenzel nicht geben und dessen Frage damit nicht in der Welt wäre.
»Sehen Sie Frau Wilms als Ersatz für Frau Mahler?«, fragte Wenzel, und so wie er fragte, schwang mit, dass er wissen wollte, ob für das berufliche oder das private Miteinander.
Grohm antwortete sachlich: »Frau Mahler war nicht zu ersetzen. Frau Wilms hat andere Aufgaben.«
»Wie stand Ihre Frau zu Ihren Ergänzungen?«, legte Schielin spitz nach.
»Ich sagte schon. Die Anwesenheit meiner Kreditkarte ist völlig ausreichend.«
Wenzel machte einen Schlenker. »Frau Schirr hat sich am Freitag mit Agnes Mahler getroffen …«
»Ich weiß davon. Sie hat es mir erzählt. Ist ja nichts dabei, und dass sie sich gestritten haben – meine Güte.«
»Sie waren am Freitag mit Frau Wilms in der Stadt unterwegs.«
»Ja. Wir waren in der Zeller’sehen Gemäldeauktion. Die Teppiche am Mittwoch habe ich leider verpasst. Na ja, vielleicht ein anderes Mal. Ich nutze die Aufenthalte hier immer, um dort reinzuschauen. Die Auktion ging um dreizehn Uhr los und wir haben das bis in den späten Nachmittag hinein genossen.«
»Waren Sie erfolgreich?«, wollte Wenzel wissen.
»Nein – ich diesmal nicht. Aber Frau Wilms hat ein kleines Stillleben erstanden – Äpfel, Trauben, Pfirsiche auf Silberteller mit Weinkaraffe. Ganz nett. Niemand hatte mitgeboten, was man von anderen Stücken nicht gerade sagen kann.«
Grohm sah kühl und distanziert von Wenzel zu Schielin.
»Aus welchem Grund haben Sie eigentlich die Professur abgelehnt, Herr Grohm?«
Diese Frage saß. Man konnte die körperliche Reaktion bei Grohm unvermittelt wahrnehmen. Nichts hatte ihn bisher aus der Ruhe gebracht. Diese ganzen Frauengeschichten nicht. Er lachte über die Fragen darüber. Ein rechter Hahn im Korb war er wohl. Zumindest stellte sich das Bild so dar und er pflegte es. Es war sichtlich verlorene Zeit darüber zu reden – nicht weil es ihm unangenehm gewesen wäre oder er Angst davor hatte: Es war für ihn kein Thema. Er war der Chef im Ring.
Diese Sache mit der Professur hingegen verschreckte ihn regelrecht. Und Schielin spürte, dass es nicht die Enttäuschung darüber war, von seiner Geschichte nicht gänzlich beeindruckt gewesen zu sein und sofort darauf diese Frage gestellt zu haben. Es lag am Inhalt der Frage. Grohms Eloquenz, seine Souveränität – sie waren mit einem Mal verschwunden. Er mauerte. »Ich wüsste nicht, was das mit dem Tod von Frau Mahler zu tun haben sollte.«
Als Stille eintrat und keiner der beiden nachfragte, bekam die Frage, die immer noch im Raum stand, Gewicht. Als die Schwere unerträglich zu werden schien, antwortete Grohm widerwillig. »Es ist eine große Verantwortung und Belastung. Ich bin in meinem Beruf schon zu sehr ausgelastet. Zumal nach dem Tode meines Kompagnons. Es ist zu viel. Ich habe mich aus der Arbeit in der Kanzlei seit dem Tod von Sebald zurückgezogen. Man muss das Rad ja nicht neu erfinden. Meine Tätigkeit konzentriert sich darauf, Unternehmen, die in der Forschung tätig sind, zu beraten. Es geht hierbei um die Entwicklung neuer Methoden und Medikamente. Einen großen Teil der mir zur Verfügung stehenden Zeit nimmt die Tätigkeit für eine Stiftung ein. Ein eher soziales Engagement. Diese Professorensache brauche ich wirklich nicht. Frau Mahler hätte das gerne gehabt, weil es der Kanzlei im Marketing geholfen hätte. Aber bitte.«
Schielin wechselte das Thema. »Was haben Sie so gemacht nach Ihrer Ankunft hier. Ich meine, Sie waren schon am Donnerstag hier. Spazierengehen, Auktionshaus Zeller, Essen und Trinken, auf der Terrasse sitzen – war sonst noch was?«
Grohm überlegte etwas zu ernsthaft angesichts der einfachen Frage. »Eigentlich nicht. Da war nichts. Am Donnerstag habe ich mich noch mit einem Freund getroffen, Frederic Gahde. Wir haben zusammen studiert … mit wir meine ich Sebald, er und ich. Er befand sich auf der Rückreise von der Schweiz und wir hatten vereinbart, uns hier zu treffen. Wir haben eine Flasche Wein getrunken und uns gut unterhalten. Unsere Berufe verbieten es, dass wir einander oft sehen und so muss man es nutzen, wenn die Ort-Zeit-Linien sich kreuzen. Es war ein
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