Inselwaechter
eine Perle …«, Grohm hielt inne und blickte zur Decke, als suche er dort eine Erinnerung. Über sein ernstes Gesicht huschte nun ein versonnenes Lächeln. »Ja, das war sie – eine Perle. Etwas Edles. Sowohl von ihrer Erscheinung her als auch was ihre Persönlichkeit betraf. Intelligent, aktiv, attraktiv. Erschreckend stilsicher, verstehen Sie? Dieser leuchtend rote Schal auf dem dunklen Kostüm zum Beispiel. Ein warmes Rot und leuchtend, aber nicht zu rot und nicht zu leuchtend, schon gar nicht ins Schreiende oder Ordinäre abdriftend – das wäre ihr nicht passiert. Ihr nicht. Es ist schade, zukünftig auf diesen Anblick verzichten zu müssen. Wirklich schade.« Er wendete seinen Blick wieder Schielin zu und war wieder ganz im Raum anwesend. »Dazu ihre perfekten Umgangsformen …«
»Sie war wohl im gleichen Maße selbstbewusst wie vermögend«, fügte Schielin an.
Aus Grohms Gesicht war das Lächeln verschwunden. Seine Augen wurden enger und er fixierte Schielin für einige Sekunden. »Natürlich war sie selbstbewusst. Vermögend hingegen ist ein Begriff, den ich nicht einzuordnen wüsste. Das sollten Sie näher erläutern, was Sie meinen darunter zu verstehen.«
Schielin ging darüber hinweg. »Worin bestand der Grund, dass Frau Mahler sich von der Kanzlei trennen wollte … gab es einen Eklat?«
»Es gab keinen Eklat. Frau Mahler ist kurz nach dem Tod ihres Onkels, mit dem ich über Jahrzehnte eng befreundet gewesen bin, in die Kanzlei eingetreten. Sie hatte ganz eigene Vorstellungen davon, wie die Ausrichtung ihrer Arbeit vonstattengehen sollte. Und da traten inhaltliche wie organisatorische Probleme auf. Etwas völlig Normales. Selbst wenn sie die Kanzlei verlassen hätte und es um eine Abfindung gegangen wäre …« Er ließ den Satz mit einer Miene enden, die ausdrückte, dass es müßig sei überhaupt darüber zu reden.
Wenzel meldete sich. »Es kommt nur nicht oft vor, dass normale Vorgänge des beruflichen Miteinanders zu einem Messer im Rücken führen. Wie stand Ihre Frau zu der Angelegenheit, ich meine das private Miteinander, wenn das existierte?«
Grohm wischte die Frage mit einer weichen Handbewegung und einem kurzen Drehen des Kopfes zur Seite. Seine Frau war also nicht relevant, sein Privatleben betreffend.
»Welches Verhältnis haben Sie zu Frau Schirr?«, fragte Schielin.
»Sie ist seit Anfang an dabei und war damals noch Studentin, als wir begonnen hatten … hat bei uns gejobbt. Nach Abschluss ihres Studiums hat sie dann ihre Stelle hier angetreten. Sie ist arbeitswütig, dabei ungemein genau und analytisch. Sie stößt sehr zielsicher auf die Schwächen einer Konzeption.«
»Wenn Sie uns sagen, dann meinen Sie Herrn Sebald und sich?«, fragte Schielin nach.
»Ja.«
»Wie ist Ihr Verhältnis nun zueinander – Frau Schirr und Sie?«
»Sie ist der Meinung, ich sollte meine Frau in die Wüste schicken. Sie kann sie nicht leiden. Sie ist ihr zu oberflächlich und zu konsumorientiert. Sie müssen wissen, meine Frau kommt aus einer etwas anderen Welt – Modebranche. Was die Sympathieverteilung anlangt, so beruht die Ablehnung auf Gegenseitigkeit. Man geht sich aus dem Weg.«
»Frau Schirr arbeitet also Ihretwegen in der Kanzlei«, sagte Wenzel.
Grohm wich aus: »Es ist so, dass sie mich sehr schätzt.«
»Sie würde alles für Sie tun?«, fragte Schielin.
Grohm winkte ab. »Bitte, bitte. Alles ist ein großes Wort im Kontext unserer Situation. Sie wären auf der falschen Fährte, sollten Sie in Bezug auf Frau Schirr etwas konstruieren wollen. Sie ist eine schwierige Persönlichkeit, für unsere Kanzlei jedoch ungemein wichtig.«
»Dann hatten Sie es ja schon mit zwei schwierigen Kolleginnen zu tun. War Frau Schirr eifersüchtig auf Agnes Mahler?«
»Nein, ich denke nicht. Doch fragen Sie sie am besten selbst. Wenn es so gewesen wäre – die Arbeit ist dadurch nicht beeinträchtigt gewesen.«
Ziemlich kühle Analyse, dachte Schielin und wollte das Thema Frauen noch nicht beenden, wenngleich er da wenig Hoffnung hatte, auf Brauchbares zu treffen. Er formulierte allgemein. »Wie ist das mit Frau Wilms?«
»Sie meinen, Frau Wilms würde in mein Beuteschema passen?«
Schielin schüttelte den Kopf. »Anders gefragt: Wie kommt sie zu Grohm & Partner?«
»Sie ist sehr ehrgeizig, ungemein kompetent, hat schon viel Erfahrung, ist eine attraktive, selbstbewusste Person – wie für uns gemacht. Frau Mahler hat sie angeworben und für die Kanzlei verpflichten können.«
»Seit
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