Inselwaechter
jeder weiß sind das Situationen, die es schwer machen, ihnen Ausdruck zu geben, ohne dabei verletzend zu sein. Unangenehm, peinlich, schrecklich, bis hin zu traumatisch. Jeder kennt das, entweder von der einen, oder von der anderen Seite – als derjenige, der für einen anderen Menschen nichts empfindet und ihn zurückweist, oder in der Rolle desjenigen, der erlebt hat, wie es sich anfühlt zurückgewiesen zu werden – also, einen Korb zu bekommen. Eine schöne Redensart, nicht wahr. Wisst ihr übrigens, woher sie stammt? Vor langer Zeit war es so, dass die Mädchen ganz bestimmte Kräuter sammelten, um sie einem unerwünschten Freier in einem Korb zukommen zu lassen. Bei diesen Kräutern handelt es sich um Pflanzen, die den Bauern einer bestimmten Eigenschaft wegen unerwünscht waren. Für diese Pflanzen hat man den Begriff Schabab gefunden, eine uralte Bezeichnung. In der Schweiz kennt man dafür den Begriff tschaabgsi, der auch für beschämt verwendet wird, ebenso als Bezeichnung für alte Jungfern oder Junggesellen. Luther hat diesen Begriff Schabab sehr oft verwendet.« Sie sah in ihr Notizbuch und las mit erhobenem Zeigefinger und pathetischer Stimme: » Sie müssen der Welt keerich und jedermann schabab seyn.« Wenzel schüttelte den Kopf und grinste. Lydia machte weiter: »Schabab, das ist immer der Verachtete, Verspottete. Im Kölner Liederbuch von fünfzehnhundertachtzig steht der Text:
gut Gesell und du musst wandern,
das Megdlein liebet einen andern,
welches ich geliebet hab,
bey der bin ich schabab.
»Ab Ende des sechzehnten Jahrhunderts ist die Handlungsweise überliefert, einen Korb mit Blumen und Kräutern als Zeichen der Abweisung zu übersenden, und sich auf diese Weise die unangenehme Situation zu ersparen, die Absage von Angesicht zu Angesicht auszusprechen:
kein andern dank krieg ich davon
leer stroh hab ich gedroschen
ein körbel schabab, das ist mein lohn
die lieb ist ausgeloschen.
»Jungfer im Grünen ist die vielleicht bekannteste Schabab-Blume und zählt als klassische Symbolblume der verschmähten Liebe. In manchen Gegenden wurde ihr Samen als Schwarzkümmel zum Würzen von Brot verwendet. Die Schafgarbe ist als Heilpflanze ihrer blutstillenden Wirkung wegen bekannt. Sie verbreitet sich sehr stark und wird vom Vieh im Heu nicht geliebt. Sie hat viele unterschiedlich und stark wirksame Bitterstoffe, was sie offizinell und apotropäisch macht.
Lydia hatte diese Worte lange und konzentriert studiert, um sie in diesem Moment richtig auszusprechen. Sie wartete. Nicht ohne Erfolg, denn Gommi war so zuvorkommend zu fragen: »Offiziell und apothekerisch?«
Sie dozierte und sprach alle an, obwohl nur Gommi gefragt hatte. »Nein, Leute. Offi-zinell und apo-tro-pä-isch. Offizin ist der alte Ausdruck für den Laborraum einer Apotheke. Offizinell meint aus dieser Herleitung, dass die Schafgarbe Bestandteil des Kataloges der Heil- und Wirkpflanzen ist. Apotropäisch, nach dem griechischen abwehrend, bezeichnet deren Verwendung für Riten im Heilglauben. Für Austreibungen, Gut- und Gesundsprechungen, für Liebes- und Abwehrzauber.«
Gommi richtete sich an Kimmel. »Do hätten mir mit der hübschen Hex vom letzten Mal doch jemand, der sich do auskennt, oder?«
Kimmels Blick stoppte seinen Ausflug.
Lydia referierte weiter. »Die Kornrade zählt durch ihre rote Blütenfarbe und die spitz hervorstehenden Kelchblätter zu den Gewitterblumen. Das ist eine kleine Pflanzengruppe, die früher nicht ins Haus geholt werden durfte, da man annahm, sie ziehe den Blitz an. Den Bauern war die Kornrade besonders verhasst, da die Samen nur schwer aus dem Getreide auszusieben waren, und blieben Reste davon im Getreide, so bekam das Mehl eine bläuliche Farbe und war fast unverkäuflich.
Kornblumen durften ebenfalls nicht ins Haus gebracht werden, da man meinte, sie brächten das Brot zum Schimmeln. Wie die anderen Schabab-Kräuter waren auch die schönen klarblauen Kornblumen außerordentlich schädliche Ackerunkräuter – bis wir die Herbizide erfanden. Heute freuen wir uns, wenn wir Kornblumen sehen – so ändern sich die Zeiten. Ihre festen Stiele machten die Sensen der Schnitter schnell stumpf, sodass die häufig nachschärfen mussten und nicht vom Fleck kamen. Zur Wegwarte hat Hildegard von Bingen geschrieben, dass Träger der Wegwarte von einem anderen Menschen gehasst werden. Aus welchem Grund sie der Wegwarte dies zuordnete, hat sie nicht näher niedergelegt. Die Eigenschaft der Blüten,
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