Inshallah - Worte im Sand - Roman
meinen Füßen. Die hinter mir liegende Straße war still und leer. Ich konnte mich kurz entspannen.
Auf dem Basar am Ostrand der Stadt waren schon einige Leute bei der Arbeit. Ein verbeulter, rostiger Pickuplieferte Melonen aus der Stadt Farah an. Die großen, metallenen Rollläden vor den Geschäften gingen ratternd nach oben und Ladenbesitzer schleppten ihre Waren vor die Tür.
Noch war alles ruhig, aber das würde sich bald ändern. Die ersten Kunden des Tages feilschten bereits um Preise und das übliche Gewirr von Farben, Gerüchen und Geräuschen kam auf. Ein Esel übertönte den aufkeimenden Lärm mit seinem Geschrei. Bald würden die Menschen auf der Straße und an jeder Ecke hektisch ihren Geschäften nachgehen und nur eine Pause einlegen, um die neuesten Gerüchte des Tages auszutauschen. Und immer mehr Leute würden sich bemühen, mein entstelltes Gesicht nicht anzustarren. Ich zog meinen Tschador über den Mund und eilte weiter zur Bäckerei.
»Und was haben wir davon? Sag mir, was wir davon haben.« Der Bäcker saß auf dem Boden und ließ einen Teigball auf die Betonfliesen klatschen. Er drehte ihn um, knetete ihn und warf ihn noch einmal auf den Boden.
»Die Freiheit! Wir werden selbst entscheiden, wer uns regiert.« Ein Junge, ungefähr so alt wie Zeynab, schürte das Feuer im Tandoor.
Ich verlagerte mein Gewicht und lehnte mich draußen gegen den Tresen. Wenn ich ein Mann oder wenigstens eine ältere Frau im Tschadri gewesen wäre, hätte man mich nicht einfach ignoriert.
Der Bäcker tauschte einen Blick mit einem uralten Mann, der in der Ecke saß und eine Zigarette rauchte. Beide lachten. Dann ließ der Bäcker Wasser auf den Teig rieseln, knetete ihn kurz und formte ihn dann zu einemlänglichen Oval. Der warme Duft hüllte mich ein und erinnerte mich daran, dass ich lange nichts mehr gegessen hatte.
»Ich kann nur eines selbst entscheiden: Wieviel Naan ich backe. Jetzt bereiten sie eifrig diese Wahl vor. Ein Parlament? Tolle amerikanische Idee. Und für das Amt kandidieren jede Menge krimineller Warlords.« Wieder klatschte der Teig mit Wucht auf den Boden. »Diese reichen Amerikaner wollen mir helfen? Dann sollen sie Naan kaufen! Mir ist egal, wer in Kabul regiert. Hauptsache, man lässt mich in Ruhe.« Jetzt rollte der Bäcker den Teig aus, zeigte erst auf den Jungen und dann auf den Ofen.
»Verzeihung, Sahib«, machte ich auf mich aufmerksam.
Er seufzte so tief, als hätte ich ihn mindestens schon eine ganze Woche genervt. »Was willst du?«
Ich musste meinen Tschador loslassen, um das Geld auf den Tresen legen zu können. »Drei Stück, bitte.«
Beim Anblick meines Mundes rümpfte der Mann angeekelt die Nase. »Ach, du bist das. Gib ihr das Brot«, sagte er zu dem Jungen.
Der Junge hielt den Blick gesenkt. Er starrte das Naan an, das er auf mein Tuch legte, und er betrachtete aufmerksam das Wechselgeld, das er mir reichte. Er sah alles an, nur mich nicht.
»Da hast du dein Brot«, sagte der Bäcker. »Und nun hau ab. Du verschreckst meine Kunden.«
Hinter mir wartete überhaupt niemand, aber ich wurde in den Läden nie lange geduldet. Ich kannte das und beeilte mich, den Basar zu verlassen.
Ich durchquerte den Fluss und kehrte zur Straße zurück.Der aus dem Tuch aufsteigende Duft ließ meinen Magen knurren. Naan schmeckte frisch am besten, wurde aber rasch trocken. Ich fiel in einen Trab, denn Malehkah wartete auf mich. Ich hätte schon auf dem Hinweg laufen müssen. Ich hatte getrödelt.
Als ich an einer Holztür vorbeikam, hörte ich gedämpftes Lachen. Die Tür fiel zu, bevor ich sehen konnte, wer sich dahinter verbarg. Aber ich wusste es auch so und lief schnell weiter.
Hinter der Tür wurde noch einmal gelacht. Dann flog sie auf, Anwar schoss heraus und rannte hinter mir her. Er holte rasch auf. Ich hasste es, laufen zu müssen. Ich wollte meine Angst nicht zeigen – aber ich wollte auch nicht, dass er mir wehtat. Ich lief immer schneller, hielt das Bündel mit dem Brot krampfhaft fest. Als ich über einen Stein stolperte, wäre ich beinahe hingefallen.
Genau darauf hatten Anwar und seine Freunde gewartet. Er überholte mich und trat mir in den Weg. Omar und Salman, seine Cousins, bauten sich hinter mir auf der Straße auf. Ich wich zurück.
Anwar kam näher. Er trug einen sauberen, weißen Salwar Kamiz, feine Ledersandalen und eine runde Kappe mit Goldstickereien und Spiegelstückchen. Sein hübsches Lächeln konnte mich nicht täuschen, denn ich wusste längst, wie
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