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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gemein er war.
    Hätte ich nur weitergehen können! Ich suchte nach einer Fluchtmöglichkeit, aber er folgte meinem Blick und kam noch näher. Viel zu nahe.
    »Iiiih-Aaaah! Iiiih-Aaaah!« Anwar scharrte mit der Sandale im Staub wie ein wütender Bulle. »He, Eselgesicht! Wohin willst du? Warum rennst du so?«, rief er. »Ich möchte mit dir reden.«
    Ich wich weiter vor ihm zurück, während ich meinen Tschador über den Mund zog. Dann stieß ich gegen eine Mauer und ließ den Stoff vor Schreck wieder fallen.
    Anwar tat so, als müsste er sich übergeben. Omar legte sich eine Hand vor den Mund und bog zwei Finger unter der Nase nach unten. So machte er sich darüber lustig, dass die Zähne aus der Hasenscharte auf meiner Oberlippe ragten.
    »Iiiiih-Aaaaah! Iiiiih-Aaaaah!«, brüllte Salman, bis er rot im Gesicht war.
    »Du bist so hässlich, Eselgesicht. Warum trägst du keinen Tschadri? Deine Fresse ist eine Zumutung.« Anwar hob eine Hand vor die Augen, um mich nicht sehen zu müssen.
    »Lass mich in Ruhe, Anwar!«, rief ich – aber ich hätte besser nichts gesagt, weil ich die Wörter wegen der Hasenscharte nicht richtig aussprechen konnte. Omar und Salman äfften mich sofort nach.
    Anwars Laune schlug urplötzlich um. Er lächelte eiskalt und kam langsam noch näher. Ich versuchte, meine zitternden Beine zu beruhigen, aber sie waren so wackelig wie aufgeweichtes Naan.
    So standen wir kurz da. Omar lief im Kreis und schrie noch einmal wie ein Esel.
    Anwar holte aus, als wollte er mich schlagen. Ich zuckte zurück und drehte mein Gesicht weg, wobei ich fast das Brot fallen ließ. Aber er schlug mich nicht. Stattdessen riss er ein großes Stück aus einem Naan, von dem er Omar und Salman etwas reichte. Ich musste mit ansehen, wie die anderen beiden unser Essen grinsend und schmatzend verspeisten.
    Ich entriss Anwar das Brot, bevor er selbst etwasdavon essen konnte. »Dieben werden die Hände abgehackt!«, rief ich.
    Omar und Salman verhöhnten mich wieder, aber Anwar verengte die Augen. Er drehte sich zu seinen Cousins um. »Habt ihr das gehört? Dieses hässliche Mädchen mit dem Eselgesicht will uns über das Recht belehren?« Er fuhr zu mir herum. »Mein Vater ist ein Hajji! Er hat die Hajj nach Mekka unternommen. Dein Vater hat es nicht einmal bis zur Großen Moschee nach Herat geschafft!«
    Ich zitterte am ganzen Körper und mein Magen verkrampfte sich.
    »Spielst du die kleine Talib? Predigst du die Strafen der Taliban? Dann sollst du genau das bekommen, Eselgesicht. Wir steinigen dich, wie es die Taliban tun. Wir zerschlagen die hässlichen Zähne deiner noch hässlicheren Fratze.« Anwar bückte sich nach einem faustgroßen Stein.
    Das war meine Chance. Als er zu Boden sah, drückte ich das Naan so fest wie möglich an mich und flitzte an ihm vorbei. Vielleicht hätten sie keine Lust mehr, mich zu jagen, wenn ich schnell und ausdauernd genug rannte.
    Doch schon nach kurzer Zeit ließ mich das laute Dröhnen eines Motors innehalten. Wegen der Bäume konnte ich kaum etwas erkennen, aber es sah aus, als würde ein Mann um die vor mir liegende Kurve biegen. Er überragte die Mauer wie ein Riese.
    Dann kam ein großes, sandfarbenes Auto in Sicht. Es war so breit, dass auf beiden Seiten nur ein Meter Abstand zu den Mauern blieb. Obenauf saß eine Waffe mit einem Lauf dick wie eine Kanone. Der Mann, den ich für einen Riesen gehalten hatte, ragte aus einer Lukeim Dach des Fahrzeugs und bediente die Waffe. Soldaten! Der Schütze trug einen großen Helm, auf dem eine dunkle Schutzbrille klemmte. Seine Brust war mit einer Art Rüstung geschützt und sah breit und wuchtig aus.
    Ich ließ den Tschador vom Gesicht gleiten und drückte mich gegen die Mauer.
    Aber der Schütze, der oben aus dem großen Fahrzeug ragte, feuerte nicht, sondern winkte lächelnd. »Salaam, rafiq!«, rief er in komisch klingendem Dari, während das Auto, das eher wie ein Lastwagen aussah, langsam an uns vorbeirollte.
    Dann folgte ein zweites Fahrzeug, aus dem ebenfalls ein Schütze ragte, nur dass er in die andere Richtung sah und hinter einer Waffe mit einem viel schmaleren und längeren Lauf stand. Als er an mir vorbeifuhr, schob er den Helm in den Nacken und rief etwas in einer fremden Sprache. Er hatte das dunkelste Gesicht, das ich je gesehen hatte.
    »Ein Afrikaner!« Omar zeigte auf den Schwarzen.
    Die drei Jungen starrten die Soldaten an. Sie hatten mich ganz vergessen. Ich hätte mich gern aus dem Staub gemacht, aber die Fahrzeuge

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