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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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natürlich längst nicht so gut organisiert, wie es dieser und weitere Beiträge suggerierten, aber sie hatten nichts gegen diesen Ruf und versuchten ihm gerecht zu werden.
    Es gab keinen Anführer, der die Fäden zog, aber schon einige gute Organisatoren, die manchmal gemeinsam die nächste Aktion planten. Als Nächstes hatte Anonymous etwas Größeres zum Ziel. Bisher waren von 4chan immer nur Raids gegen kleine Webseiten oder einzelne Internetnutzer ausgegangen. Jetzt nahm sich der Mob ein Opfer vor, das selbst umstritten genug war, um den Angriffen ein gewisses Maß an Unterstützung in der Öffentlichkeit zu verschaffen, das aber auch eine beeindruckend gründliche Planung erforderte. Das Jahr 2008 sollte als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem sich aus einem Raid ein regelrechter Aufstand gegen die Scientology-Sekte entwickelte.

Kapitel 5: Chanology
    Bevor Topiary, Sabu und Kayla einander begegnen, HBGary angreifen und sich entschließen konnten, als LulzSec eine Folge anderer Ziele zu attackieren, musste aus Anonymous zunächst etwas Umfassenderes werden als nur ein Haufen Jugendlicher in zweifelhaften Foren oder einzelner Telefonstreich-Witzbolde wie Topiary. Anonymous musste mehr als nur lästig werden. Das gelang durch den Auftritt des Filmstars Tom Cruise in einem Video, das die Scientology-Sekte unbedingt unterdrücken wollte.
    Cruise gehörte der Sekte seit 1990 an und war schnell ihr bekanntester Repräsentant aus den Reihen der Prominenten geworden. Im Jahr 2004 gab er einem Filmteam von Scientology ein Interview, welches als Video ausschließlich für Sektenmitglieder vorgesehen war. Das Video hatte alles, was einen richtigen Propagandafilm ausmacht: Zuerst sah man die Erde im Weltraum, dann Lichtblitze, und man hörte das Geräusch geschwungener Schwertklingen, als das Symbol der Sekte ins Blickfeld kam. Eine elektrische Gitarre stimmte schwungvoll die Titelmelodie von Mission: Impossible an, und Cruise erschien im schwarzen Rollkragenpullover und mit strenger Miene. »Ich halte es für eine Auszeichnung, sich Scientologe nennen zu dürfen«, sagte er. Während im Hintergrund weiter der Titelsong aus Mission: Impossible spielte, lieferte Cruise einen seltsamen, zunehmend zusammenhanglosen Monolog ab, den das Video in Ausschnitten zeigte.
    »Die Zeit ist da, klar?«, erklärte er. »Die Leute werden sich an dich um Rat wenden, also mach dir das lieber klar. Mach es dir klar. Und wenn nicht?« Er lächelte. »Geh und informiere dich, klar? Aber tu nicht bloß so, als wüsstest du Bescheid oder so. Wir sind für dich da, wenn du Hilfe brauchst, das weißt du.« In einem anderen Ausschnitt saß Cruise zunächst grinsend mit geschlossenen Augen da; dann brach er plötzlich in Lachen aus. »Die haben gesagt, du hast also eine SP [Abkürzung für den Scientology-Jargonbegriff Suppressive Person , »Unterdrückende Person«] getroffen? Ha ha ha ha! Und ich sah sie an. Ha ha! Wissen Sie, es ist wirklich toll, denn eines Tages ist es vielleicht wirklich so. Wow.«
    Einige von Cruise’ Sätzen ergaben durchaus Sinn, die meisten taten es allerdings nicht. Die Sekte war nicht besonders versessen darauf, das Video an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Im Jahr 2007 schickte dann ein ungenanntes Sektenmitglied eine DVD mit dem Film an die Anti-Scientology-Aktivistin Patty Pieniadz.
    Diese, ehemals selbst eine hochrangige Scientology-Angehörige, hielt das Video ein Jahr lang zurück und wartete auf den richtigen Moment, um es wirkungsvoll an die Öffentlichkeit zu bringen. Als sie erfuhr, dass am 15. Januar 2008 eine neue Tom-Cruise-Biografie veröffentlicht werden würde, sah sie den Augenblick gekommen. Sie bot das Video dem Fernsehsender NBC exklusiv an, aber der zog sich zu ihrer Überraschung in letzter Minute wegen der ungeklärten Urheberrechte zurück.
    Pieniadz hatte nur noch wenige Tage Zeit und damit nur noch eine Option: das Internet. Da sie keine Ahnung hatte, wie man Videos hochlädt, schickte sie DVD-Kopien an mehrere Bekannte und hoffte, dass es seinen Weg auf YouTube finden würde. Einer der Empfänger war Mark Ebner, ein investigativer Journalist aus Los Angeles. Am 15. Januar um 2 Uhr morgens Westküstenzeit schickte Ebner eine Nachricht an den Gründer des Medieninformationsdienstes Gawker, Nick Denton. Er fragte an, ob Gawker den Film, der schnell unter der Bezeichnung »Das irre Tom-Cruise-Video« bekannt werden sollte, auf seiner Seite einstellen wollte. Denton war, so Ebner,

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