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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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es einfach nicht, Kayla einzuordnen. Er erinnerte sich vage, den Namen auf seiner alten MSN-Chatliste gesehen zu haben, an eine Flut auf 4chan 2008 und an Artikel über sie in der Encyclopedia Dramatica. Mit vielen Smileys und lols schrieb sie über das Hacken, als sei es eine Sucht für sie. Sie konnte einfach keine Webseite besuchen, ohne nachzusehen, ob es nicht eine schwache Stelle im Quellcode gab, die ihr Zugang verschaffte, sodass sie ein oder zwei Datenbanken stehlen konnte. Sie war ein wandelnder Widerspruch in sich: Einerseits die Gesprächigste und Unbekümmertste in der Gruppe, war sie andererseits paranoid und wohl auch gefährlich. Ihre wirkliche Identität schützte sie hinter einem undurchdringlichen Panzer. Dass sie rundheraus zugab, erst sechzehn zu sein, und mit ein bisschen zu vielen Emoticons und Herzchen (<3) schrieb, ließ vermuten, dass sie unbedingt als Mädchen gelten wollte.
    Topiary wusste, wie wenige weibliche Hacker es in Wirklichkeit gab; Hacker, die sich als Frauen ausgaben, waren im echten Leben gewöhnlich keine, womöglich aber transsexuell oder homosexuell. Ein Internet-Bekannter von Topiary mit dem Spitznamen Johnny Anonymous führte Ende 2010 sogar eine Umfrage dazu durch, indem er hundertfünfzig Usern des frühen AnonOps-Netzwerks einen Fragebogen vorlegte. Fast sechzig, mehr als ein Drittel, bezeichneten sich darin selbst als LSBT (lesbisch, schwul, bisexuell oder transsexuell), während der Rest sich als heterosexuell einordnete. »Wir machen Witze über Transvestiten, weil es bei uns so viele gibt«, erklärte Johnny Anonymous in einem Interview.
    Kayla wachte fanatisch über die Geheimhaltung ihrer Identität; Topiary nannte sie deshalb später den Ninja. Sie wechselte fast täglich die Passwörter aus und behauptete, alle ihre Daten auf einer winzigen MicroSD-Speicherkarte aufzubewahren; das Betriebssystem ihres Netbooks sei auf einem USB-Stick gespeichert. Wie die meisten Hacker schaltete sie ihrem Rechner eine sogenannte Virtual Machine (VM) vor, einen virtuellen Computer, der als Puffer zwischen ihren Internetaktivitäten und ihrem Rechner wirkte. Sollte sie je Opfer eines Hackerangriffs werden, dann kam der Hacker nur bis zur VM. Anders als Topiary und viele weitere Anons benutzte sie allerdings kein Virtual Private Network (VPN). Sie vertraute ihnen nicht, da man dafür einen Provider brauchte, und der konnte immer die eigenen Daten an die Polizei verraten. Kaylas sicherster Speicher war ein einfaches Mobiltelefon mit unregistrierter SIM-Karte. Hier notierte sie ihre Passwörter und lagerte sie in einer Partition des Speichers unter der Bezeichnung sys .
    Das klang alles sehr nach Verfolgungswahn, aber Kayla erzählte später in einem Interview von einer beängstigenden Lektion, die sie erhalten hatte, als sie anfing, Hackerforen anzugreifen, und die ihr beibrachte, keine Spuren ihrer Identität im Netz zu lassen. Angeblich hatte Kayla mit vierzehn spaßeshalber versucht, andere Hacker zu doxen, und sich dabei das falsche Opfer ausgesucht. Dieser Hacker hatte den Spieß umgedreht, selbst nach ihrer Identität gesucht und in einem anderen Forum eine alte E-Mail-Adresse gefunden. Die führte zu ihrem Namen, Geburtsdatum, Wohnort und sogar zu Informationen über ihre Familie. Er rief bei ihr an und drohte wütend mit der Polizei. Kayla sagte, er habe ihr nicht glauben wollen, dass sie erst vierzehn Jahre alt war, woraufhin sie in Tränen ausgebrochen sei. Als er sich etwas beruhigt hatte, hätten sie sich in einer nahe gelegenen Stadt verabredet.
    In einem betriebsamen Einkaufszentrum hätten sie sich dann zusammengesetzt und geredet. Der Mann interessierte sich für Kaylas Leben und die Gründe, warum sie Hackerin werden wollte. Er erklärte, wie er aus alten MSN- und Hackerforumprofilen ihre Daten herausgesucht habe, und für Kayla war die Erkenntnis, dass ihre Informationen dort draußen frei zugänglich herumlagen, wie ein Schlag ins Gesicht gewesen.
    Wieder zu Hause, löschte sie sofort den Inhalt ihrer sämtlichen Accounts sowie alle ihre E-Mails und las sich Wissen darüber an, wie man sich im Internet unsichtbar machte. Nach einem Jahr hatte sie ihr militärisch straffes Regiment etabliert und genug Selbstvertrauen gewonnen, um auch größere Namen anzugreifen. Sie konnte das Hacken einfach nicht lassen – es faszinierte sie zu sehr, Zugang zu Informationen zu haben, den andere nicht hatten. Ihr Internet-Spitzname bedeutete im Altenglischen schließlich

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