Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
die Daten verkaufen, aber Kayla wollte sie öffentlich machen. Hier ging es um Rache, nicht um Profit.
Gegen 11 Uhr Ostküstenzeit am 12. Dezember loggte Kayla sich bei #InternetFeds ein, um die anderen über ihre Privatfehde gegen Gawker und die bevorstehende Veröffentlichung zu informieren. Die Angriffe gegen PayPal und MasterCard hatten inzwischen ihren Höhepunkt überschritten; an ihnen war Kayla kaum beteiligt gewesen. So ging sie oft vor – sie schlug auf eigene Faust mit ein paar Hackerfreunden zu, um sich an einem Opfer zu rächen, von dem sie sich persönlich beleidigt glaubte. »Wenn ihr morgen online geht, seht ihr, wie ich und meine Freunde alles, was wir haben, auf 4chan /b/ stellen«, schrieb sie. Am folgenden Tag beschenkte sie mit den anderen die »traurigen 4channers« mit Millionen von Gawker-Account-Daten, sodass Leute wie William ihren Spaß mit den Nutzern haben konnten.
Gawker postete eine Meldung zu dem Angriff: »Dieses Versagen unserer Sicherheitsmaßnahmen ist uns sehr unangenehm. Es sollte nicht so weit kommen, dass wir uns auf das Wohlwollen von Hackern verlassen müssen, die Schwachstellen in unseren Systemen ausmachen.« »Hahahahaha«, schrieb ein irischer Hacker namens Pwnsauce in #InternetFeds. »Peinlich, was?« Und es sei nur ein Hacker gewesen, »SINGULAR«, betonte er. »Unsere wunderbare Kayla.« Kayla fügte allerdings sofort hinzu, dass sie das Ding mit vier anderen zusammen gedreht habe, und als ein anderer Hacker in #InternetFeds anbot, eine Bekanntmachung für /b/ zu schreiben, dass die Daten zur Verfügung gestellt würden, dankte sie ihm und schrieb: »Erwähne meinen Namen nicht.«
Die Verantwortung für diesen Angriff übernahm Gnosis anstatt Anonymous. Kayla sagte, sie habe seit 2008 zu Anonymous gehört und bis dahin eigentlich nur aus »Hass oder Spaß« gehackt, wobei Gawker ihre fetteste Beute gewesen sei. Aber nachdem sie zu #InternetFeds gekommen war, begann sie sich ernsthaft mit dem Hacken ausländischer Regierungsserver zu beschäftigen.
Kayla hatte sich an den DDoS-Attacken von AnonOps auf PayPal und MasterCard nicht beteiligt, weil sie für DDoS nicht viel übrig hatte. Sie hielt die Methode für Zeitverschwendung. Aber sie wollte WikiLeaks unterstützen und meinte, mit Hacken könne man es viel wirkungsvoller tun.
Nicht lange nach der Bekanntgabe des Angriffs auf Gawker loggte Kayla sich im wichtigsten IRC-Netzwerk von WikiLeaks ein und lurkte dort mehrere Wochen lang unter einem randomisierten anonymen Spitznamen, um sich anzuschauen, was in den Hauptchatrooms so gepostet wurde. Ihr fiel ein Moderator dieses Chatrooms auf, der die Leitung zu haben schien. Sein Spitzname lautete q (hier in Kleinbuchstaben, um eine Verwechslung mit dem Hacktivisten Q in #InternetFeds zu verhindern); bei WikiLeaks wählten Unterstützer und Administratoren oft einbuchstabige Spitznamen wie Q und P, weil man für einzelne Buchstaben keine Google-Suchanfrage durchführen konnte. Wenn jemand in diesem Chatroom eine organisatorische Frage zu WikiLeaks hatte, wurde er oft an q verwiesen, der sich ansonsten zurückhielt. Also schickte Kayla ihm eine private Nachricht.
Laut einer Quelle, die die Vorgänge verfolgen konnte, schrieb Kayla an q, sie sei eine Hackerin, und deutete an, was sie für WikiLeaks tun könne: sich in Regierungswebseiten zu hacken und Daten zu finden, die WikiLeaks dann veröffentlichen könne. Sie war sich nicht sicher, wie sie aufgenommen werden würde, und wollte einfach nur helfen. Natürlich ließ q sich die Gelegenheit nicht entgehen und nahm sie auf, zusammen mit einigen anderen Hackern, von denen Kayla damals noch nichts wusste. Diese Hacker und auch q hielten WikiLeaks nicht nur für eine Whistleblower-Organisation, sondern auch für eine Seite, die gestohlene Informationen von Hackern annahm.
Der Administrator q bat Kayla dann, im Netz nach Schwachstellen von Regierungs- und Militärwebseiten zu suchen, also bei den sogenannten .govs und .mils. Die meisten Hacker ließen solche Schwachstellen, auch wenn sie davon erfuhren, lieber in Ruhe, denn langjährige Haftstrafen drohten, wenn man sich bei solchen Einbrüchen erwischen ließ. Kayla hatte kein Problem damit, ihre Hackerfreunde zu fragen, ob sie von irgendwelchen .mil-Schwachstellen wüssten.
Kayla selbst ging laut einer Quelle auf regelrechte Hackingraubzüge für q, meistens auf der Suche nach Schwachstellen. »Sie war schon immer offen, herausfordernd,
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