Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
»Spezialitätenvorbehalts« gestoßen. Bei Untreue und Betrug erhielt die zuständige Staatsanwaltschaft aufgrund ihrer Ersuchen Auskünfte aus dem Ausland, nur durften diese Informationen steuerlich nicht verwendet werden. Das heißt: »Unser« Staatsanwalt und auch die Kollegen vom Bundeskriminalamt wussten zu jener Zeit alles über die ausländischen »Geschäfte«, sie durften diese Informationen aber nicht an uns weitergeben, und die an sich steuerstrafrechtlichen Vorgänge waren vor Gericht nicht verwertbar. Ein Dilemma.
Das Verfahren gegen die drei ehemaligen Coop-Vorstände dauerte zwei Jahre. An etwa 100 Verhandlungstagen wurde versucht, die Vorfälle in diesem Wirtschaftsskandal aufzuhellen. Die, wie es hieß, »unwesentlichen Nebenstraftaten« – darunter dürften wohl auch die Steuerhinterziehungen verstanden worden sein – wurden irgendwann im Rahmen eines Deals zwischen Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung fallen gelassen. Unsere mehrere Jahre andauernde Ermittlungsarbeit in diesem Fall war einfach aus dem Strafverfahren gestrichen worden. »Prozessökonomie« nennt man so etwas in der Juristensprache wohl. Die Steuerhinterziehung brauchte man im Coop-Prozess nicht, um einen Schuldspruch zu erwirken. Ganz im Gegensatz zum AAT-Verfahren.
Vielleicht sind aus diesen Gründen am Ende die Urteile gegen die drei ehemaligen Coop-Vorstände vergleichsweise milde ausgefallen. Zwischen viereinhalb Jahren und zwei Jahren und acht Monaten Haft mussten die ehemaligen Topmanager für ihre wirtschaftlich gigantische Straftat hinnehmen. Mit einem müden Lächeln vermutlich. Die von uns errechneten Steuerschulden mussten sie zwar begleichen – aber ohne Strafverfahren. Und der Coop-Konzern war nach diesem Coup zerschlagen. Die 400 Läden gingen an REWE.
Bankrotterklärung – Die Parteispendenaffären
Der Fall Flick
Mit Staaten wie Äthiopien, dem Sudan, Mosambik, der Elfenbeinküste oder dem Iran, die allesamt nicht als Vorzeigedemokratien bezeichnet werden können, hat die Bundesrepublik Deutschland eines gemeinsam: Alle diese Länder haben bis heute nicht die UN-Konvention gegen Korruption ratifiziert. Das mag – was Deutschland anbetrifft – ein wenig verwundern. Oder auch nicht, wenn man die großen Parteispendenskandale der vergangenen Jahrzehnte in der Bundesrepublik näher betrachtet.
Wer Geheimnisse hat, braucht freies Geld. Ob es nun die Befriedigung von verschiedenen Süchten ist – Zocken, Drogen – oder anderer Befriedigungen in Gestalt von Affären oder Bordellbesuchen bedarf, wer diese Leidenschaften pflegen und vor allem aber auch verheimlichen will, braucht Schwarzgeld. Das gilt auch für die Bestechung von Politikern.
Der Flick-Konzern stand in den 70er-Jahren vor einem derartigen Problem. Das deutsche Großunternehmen hatte 1975 Aktien der damaligen Daimler-Benz AG im Gesamtwert von 1,9 Milliarden Deutsche Mark verkauft und sah sich – von Rechts wegen – der Zahlung von gut einer Milliarde Steuern gegenüber – schließlich verdiente der Staat auch an solchen Geschäften kräftig mit. Einen Ausweg aus diesem Steuerdilemma konnte es nur geben, wenn der Flick-Konzern den größten Teil aus diesem Daimler-Geld umgehend wieder in Deutschland reinvestierte und das Bundeswirtschaftsministerium dieses Geschäft für »volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig« hielt. Die Sache hatte nur einen Haken: Der Konzern wollte das aus den Aktienverkäufen gewonnene Vermögen tatsächlich anlegen, nur leider nicht in der Bundesrepublik. Die Flick-Bosse hatten sich vielmehr für eine Beteiligung an dem amerikanischen Mischkonzern Grace entschieden, denn dort winkten erstaunliche Renditen. Stellte sich also die Frage, wie man eine US-amerikanische Investition als in Deutschland volkswirtschaftlich förderungswürdig verkaufen konnte. Es schien nur eine Lösung für dieses Problem zu geben: Man musste die Politiker kaufen, die das Ganze zu entscheiden hatten.
Der Bonner Regierungsdirektor Klaus Förster, Leiter der Steuerfahndungsstelle Sankt Augustin, stieß im Jahr 1979 auf Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit einem Kloster. Bei der Überprüfung der »Steyler Mission« war man in den Büchern über Millionenspenden aus dem Flick-Konzern gestolpert, die für die sogenannte »Soverdia«, der »Societas Verbi Divini« – der Gesellschaft des göttlichen Wortes –, bestimmt waren. Bei der Soverdia handelte es sich um eine gemeinnützige Vereinigung, und somit waren die Spenden
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