Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
Begriff Lobbyismus steckt.
Doch wir durchsuchten, und die Prüfung der Bücher ergab unter anderem, dass in vielen Fällen deutsche Firmen Arbeitskräfte bezahlten, die ihren Dienst jedoch in Parteizentralen oder Abgeordnetenbüros verrichteten. Auch eine Form der Parteispende. Andere Parteien ließen sich in ihrer Mitgliederzeitung teure Anzeigen bezahlen, die nie veröffentlicht werden mussten. In den Bilanzen waren solche Summen in fünf- oder sechsstelliger Höhe als Betriebsausgaben aufgeführt und bei den Parteien als Zeitungsannonce verbucht. Nur abgedruckt wurden diese Anzeigen nie. Parteispende, verdeckt!
Oder Unternehmen bezahlten horrende Honorare an Politiker, die auf irgendwelchen Firmenveranstaltungen einen Vortrag hielten – also ein wenig Wahlkampf machten oder aus dem Parteiprogramm zitierten … Eine Spende? Die Antwort darf sich jeder selbst geben.
Bis zu den Untersuchungen, die die Bonner Steuerfahndung einleitete, schien es in der Politik in dieser Hinsicht keinerlei Unrechtsbewusstsein gegeben zu haben. Die Untersuchungen wurden vielmehr als unanständiger Angriff empfunden und gipfelten in dem Versuch, durch nachträgliche Gesetzesänderungen die Aufklärungsarbeit von Staatsanwälten und Steuerfahndern zunichte zu machen. Tatsächlich planten CDU und FDP in Absprache mit der SPD zu jener Zeit sogar eine Generalamnestie für all jene, die sich an der illegalen Parteispendenpraxis beteiligt hatten. Der Entwurf hierzu lautete:
»Wegen Straftaten nach Paragraph 370 der Reichsabgabenordnung wird nach Maßgabe der folgenden Bestimmung Straffreiheit gewährt, soweit die Taten vor dem Inkrafttreten begangen worden sind und im Zusammenhang stehen mit der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Beiträgen oder Spenden an politische Parteien oder mit der Gemeinnützigkeit von Vereinigungen oder mit Berufsverbänden, die Zuwendungen an politische Parteien gemacht haben.«
Die Haltung, einfach Gesetze zu ändern, wenn es der politischen Kaste zu eng wird, erinnerte an die politischen Strukturen einer Bananenrepublik und sorgte für eine zunehmende Stimmung der Desillusionierung in den Reihen der ermittelnden Steuerfahnder. Dass das Gesetzänderungsvorhaben am Ende durch die aufbegehrende Basis der FDP gestoppt werden konnte, vermochte kaum noch etwas an der Politikverdrossenheit in unseren Kreisen zu ändern. Der politische Sündenfall war nicht mehr auszulöschen.
Wir hatten den Dienstauftrag, die Umsetzung der deutschen Steuergesetze zu gewährleisten. In den Finanzämtern saßen Beamte, die mit dem Maßstab-Rädchen nachmessen mussten, ob ein steuerpflichtiger Bürger vielleicht bei seinem Arbeitsweg ein wenig gemogelt haben könnte. Bei den Betriebsausgaben wurden peinlichst genau Quittungen gelesen und es wurde kritisch hinterfragt, ob ein Taschenbuch für 9,90 Mark steuerlich geltend gemacht werden konnte oder vielleicht doch nur ein Geburtstagsgeschenk für die Tochter gewesen sein könnte. Es ging um jeden Pfennig – für den Staat. Und die Menschen, die diese Gesetze erlassen hatten, ließen jegliche Moral vermissen, wenn es um das Wohl der Partei und um die Sicherung von Mehrheiten, also um die Macht ging. Eine bittere Erkenntnis.
Die ursprüngliche Idee, die hinter unserem Parlament stand, war, durch die Abgeordneten einen gesellschaftlichen und beruflichen Querschnitt im Bundestag zu gewährleisten. Einen Querschnitt hatten wir tatsächlich: Es gab statistisch betrachtet offenbar genau so viele Kriminelle im Bundestag wie in unserem Volk. Doch jeder einfache Beamte, der sich im Dienst etwas zuschulden kommen ließ, wurde hart bestraft und nicht selten aus seinem Beamtenverhältnis herausgeworfen. Die Parteispendenaffäre der 80er-Jahre hatte jedoch kaum Konsequenzen. Vor Gericht hatten fast alle Beteiligten große Erinnerungslücken und – vom Rücktritt des Grafen Lambsdorff einmal abgesehen – die politischen Karrieren liefen weiter. Helmut Kohl wurde im Jahr 1982 sogar zum Bundeskanzler gewählt.
Erst die Partei
Unter dem Gesichtspunkt des politischen Kampfes spielte Moral offenkundig keine übergeordnete Rolle. »Erst die Partei, dann das Land« schien das gängige Leitmotiv in unserer Politik zu sein. Für Beamte, die auch Staatsdiener genannt werden, ein Schlag ins Gesicht. Wer Macht wollte, musste seinen politischen Gegner bezwingen, und wer siegen wollte, brauchte hierfür viel Geld. Und um an dieses Geld zu gelangen, schien jedes Mittel recht zu sein. Aus der Sicht der
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