Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
sich barg, die in dem Prozess gegen die beiden Beschuldigten weitreichende Folgen haben sollten. Auf der einen Seite stand der politische beziehungsweise strafrechtliche Aspekt. Die Firma hatte mit ihren Auslandsgeschäften nicht nur die Bundesrepublik Deutschland ins Zwielicht gebracht, sondern mit den illegalen Nuklearexporten juristisch betrachtet auch gegen das Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz sowie den Atomwaffensperrvertrag verstoßen. Auf der anderen Seite war es durch unsere Ermittlungen gelungen, die illegalen Winkelzüge steuerstrafrechtlich zu bewerten, nachdem wir im Zusammenhang mit den Geschäften mit Pakistan, Indien und Südafrika schwerwiegende Steuerhinterziehungen in Millionenhöhe feststellen konnten.
Erste Details der dunklen Machenschaften des AAT-Geschäftsführers Dieter P. und seines Kumpanen Robert V. (beide Namen geändert) lasen sich erschreckend: In rund 60 Dokumentensendungen hatten die Beschuldigten offenkundig das vollständige Know-how zum Aufbau einer Brennelemente-Produktion in Pakistan geliefert und überdies Blaupausen zur Reaktortechnik, Kernfusion und Urananreicherung versandt.
Darüber hinaus waren in etwa 70 Einzellieferungen hochkomplexe Geräte wie Sinterofen sowie Elektronenstrahl- und Laserschweißanlagen für die Fertigung von Brennelementen nach Pakistan transportiert worden. Dazu kam Rohmaterial für den Bau von Uranzentrifugen, Tonnen von Zirkaloy, das zur Herstellung von Brennelement-Hüllrohren für Kernreaktoren benötigt wurde, sowie Spezialbehältnisse für das zur Urananreicherung benötigte Uranhexafluorid.
Besonders schwer wog jedoch die Lieferung einer Anlage zur Rückgewinnung und Bereitstellung von reinem Tritium sowie von 8000 Curie hochreinem Tritiumgas, das eine Strahlung von knapp 300 000 Giga-Becquerel hat und ausschließlich für militärische Zwecke verwendet wird: Tritiumgas dient bereits in geringsten Mengen als Sprengkraftverstärker von Atombomben. Allein dies stellte ein schweres Vergehen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz dar.
Während sich der Geschäftsführer P. der AAT um die finanziellen Dinge kümmerte, war der Physiker V. als freiberuflicher Berater für das Unternehmen tätig und mitunter auch in die technische Abwicklung der Geschäfte vor Ort eingebunden. Erste Zweifel an den brisanten Deals waren dem Mann gekommen, als er die Tritium-Anlage in Pakistan testen sollte und dafür in eine streng geheime militärische Sicherheitszone gebracht wurde. Die Forschungsanlage war in einer öden Berglandschaft versteckt, etwa 100 Kilometer von dem pakistanischen Atomzentrum Pinstech in Rawalpindi entfernt. Robert V. fühlte sich, hinter meterhohen Mauern, umgeben von schwer bewaffneten Soldaten, die in fragwürdigen Bergstollen verschwanden, wie in einem James-Bond-Film. Mit dem einen Unterschied: Das, was er da sah, war echt, und es bereitete dem Physiker trotz des ständigen Alkoholnebels, in dem er sich seit Jahren befand, gehörig Unbehagen. Er ahnte, dass an der Sache etwas faul war.
Nützliche Aufwendungen
Aber: Das »Schmerzensgeld« stimmte, und die Millionen, die diese Geschäfte in die Kassen der Beteiligten spülte, vermochten fast alle Zweifel an dieser gefährlichen Operation zu nehmen. Allein das Pakistangeschäft hatte zwischen den Jahren 1983 und 1988 ein Auftragsvolumen in Höhe von rund 20 Millionen Mark erreicht. Viel Geld, das jedoch aufgrund eines geschickten Firmengeflechts nur zu einem Teil der AAT zugutegekommen war.
Der Physiker Robert V. war Eigentümer einer Beratungsfirma – nennen wir sie ABC – die jedoch als reine Schein- oder auch als sogenannte »Briefkastenfirma« betrachtet werden musste. Die ABC stellte dem Unternehmen AAT horrende Beraterhonorare im Zusammenhang mit den Geschäften in Pakistan, Indien und Südafrika in Rechnung, aus deren Erlösen sich am Ende vor allem der AAT-Geschäftsführer P., aber auch Robert V. fürstliche Vergütungen sicherten. Dies war gleichsam die Fortsetzung der kriminellen Machenschaften auf der finanziellen und fiskalischen Ebene.
Als wir bei der Durchsuchung die Unterlagen sicherstellten, konnten wir schnell erkennen, dass ein Großteil der von der ABC in Rechnung gestellten Beträge für angebliche Provisionszahlungen in Pakistan und Indien benötigt worden war. Das war zu jener Zeit eine beliebte Begründung für den Verbleib von Geldern, deren tatsächliche Bestimmungen verschleiert werden mussten. Diese Provisionszahlungen, bei denen es sich
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